Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Regentschaftsgesetze. 323 
die Regentschaft während der Minderjährigkeit des Souveräns handelt, auch nicht 
eine verfassungsmäßig gültige Anordnung des letzten Monarchen vorliegt, ein von 
den Landständen zu genehmigender Beschluß des aus den volljährigen Agnaten des 
regierenden Hauses, wol auch mit Ausschluß des zunächst zur Regentschaft Berufenen 
(Württemberg, Sachsen, Oldenburg, Koburg-Gotha), gebildeten Familienraths 
nothwendig. In Preußen und Bayern dagegen ist der verfassungsmäßig berufene 
Agnat berechtigt, aus eigener Initiative die Regentschaft zu übernehmen, selbst- 
verständlich unter Mitwirkung des verantwortlichen und überdies zur Legalisirung 
jedes Regierungsaktes nothwendigen Staatsministeriums. Doch müssen die Kammern 
unverzüglich vom Regenten zusammenberufen werden, um — nach der Preußischen 
Verfassung — in vereinigter Sitzung über die Nothwendigkeit der Regentschaft zu 
beschließen. Doch kann den Kammern das Recht, die Nothwendigkeit der Regent- 
schaft zu verneinen, nicht bei der Succession eines minderjährigen Herrschers, sondern 
nur dann zustehen, wenn es sich um die geistige oder körperliche Regierungsfähigkeit 
des Monarchen handelt; denn die Verfassung selbst knüpft die Regierungsfähigkeit 
jedes Souveräns an die Erreichung eines bestimmten Alters, und nicht ein ein- 
facher Beschluß der Landstände, sondern nur eine von diesen beschlossene und vom 
Regenten genehmigte Verfassungsänderung könnte den minderjährigen Monarchen 
schon vor dem verfassungsmäßigen Volljährigkeitstermin für volljährig erklären. 
Nur die Altenburgische Verfassung kennt eine an die Mitwirkung der Stände nicht 
gebundene Volljährigkeitserklärung des minorennen Herzogs durch den Senior des 
Sächsischen Gesammthauses aller Linien. 
Der Regent übernimmt die Führung der Regierung erst nach Ableistung des 
in einzelnen Staaten, wie Bayern, Hessen-Darmstadt, Preußen, besonders formulirten 
Regentschaftseides, bzw. des regelmäßig vom Souverän zu leistenden Verfassungseides 
oder Versprechens. Bis zu dieser Eidesleistung hat das Staatsministerium die Re- 
gierung zu führen. Eine Weigerung, den Eid oder das Versprechen zu leisten, ist 
als Verzicht auf die Regentschaft anzusehen. 
Die Machtsphäre des Regenten ist verschieden bestimmt: in einzelnen Ländern, 
z. B. in Preußen, hat er alle Befugnisse des wirklichen Souveräns; in anderen, 
z. B. in Bayern, ist die definitive Besetzung erledigter, sowie die Begründung neuer 
Aemter, vor Allem aber die Vornahme von Verfassungsänderungen auch auf ver- 
fassungsmäßigem Wege dem Regenten entweder ganz untersagt oder an den Konsens 
eines meist aus dem Gesammtministerium bestehenden Regentschaftsraths (Bayern), 
bzw. des aus den volljährigen Prinzen gebildeten Familienraths (Sachsen) gebunden 
oder endlich nur für die Dauer der Regentschaft gültig (Württemberg). In ein- 
zelnen Ländern ist dem Regenten die Berathung mit dem Regentschaftsrathe in jeder 
wichtigen oder schlechthin in jeder Regierungsangelegenheit zur Pflicht gemacht. Der 
Regent ist überall, obgleich dies in den meisten Verfassungen, auch der Preußischen, 
nicht ausgesprochen ist, unverantwortlich und zwar nicht blos für die Dauer der 
Regentschaft. Auch ist derselbe durch einen besonderen strafrechtlichen Schutz aus- 
gezeichnet (RStrafG B. §§ 96, 97, 100, 101). Die Gültigkeit seiner Regierungs- 
handlungen wird nach den für die Gültigkeit der Handlungen des Souveräns auf- 
gestellten Bestimmungen beurtheilt, soweit dieselben nicht durch die vorgenannten 
Verfassungssätze modifizirt sind. Die ökonomische Ausstattung des Regenten ist regel- 
mäßig aus der Civilliste zu bestreiten. 
Die Erziehung des minderjährigen Monarchen ist der Mutter, bzw. der väter- 
lichen Großmutter (Bayern, Sachsen u. a.) oder dem privatrechtlichen Vormunde 
überlassen, regelmäßig unter Aufsicht des Regenten, wol auch des Regentschaftsraths 
(Sachsen, Württemberg). In einzelnen Verfassungen darf der Regent nicht zugleich 
Vormund des minderjährigen Souveräns sein, außer wenn die Mutter oder Groß- 
mutter die Regentschaft führt (Oldenburg). In anderen ist die Verbindung beider 
Aemter ausdrücklich gestattet (Altenburg, Koburg-Gotha). Meistens, z. B. auch in 
21“
	        
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