328 Reglement der Eisenbahnen.
schmidt, Zeitschr. f. d. ges. H.R., V. 597), und der Absender vor dem Vertrags-
abschluß diese Urkunden nicht prüfen kann, endlich der Aufdruck auf denselben nicht
publizirt ist.
Beim Gütertransport unterwirft sich der Versender dem Bahnreglement durch
Unterzeichnung des vorgeschriebenen Frachtbriefformulars, welches die ausdrückliche
Bezugnahme auf die Betriebsreglements und Tarife der betreffenden Bahnen, welche
das Gut bereist, enthält (Entsch. d. RO- G. Bd. XIX. S. 186).
Das Betriebsreglement enthält endlich auch Bestimmungen, welche rein polizei-
licher Natur und im Interesse der Ordnung und Sicherheit des Verkehrs getroffen
sind (z. B. §§ 17, 19). Auf Zuwiderhandlungen gegen diese sind nicht die Grund-
sätze über Erfüllung von Vertragsbedingungen, sondern die Grundsätze von den
Delikten anzuwenden (Deutsche Verkehrs-Zeitung 1880, S. 609).
Das Bahnreglement zerfällt in IV Abschnitte: Abschnitt 1. Allgemeine
Bestimmungen. §§ 1—6 regeln das allgemeine Verhalten der Bahnbeamten gegen-
über dem Publikum und das für die Ordnung des Eisenbahnbetriebs nothwendige
Verhalten des letzteren gegenüber den Beamten. Dieselben regeln ferner die Ent-
scheidung von Streitigkeiten zwischen Publikum und Dienstpersonal (§ 3), das Recht
der Beschwerdeführung und das Verbot des Betretens der Bahnhöfe und des Bahn-
körpers (s. auch §§ 54 und 55 des Deutschen und Bayerischen Bahnpolizeireglements).
§6 stellt die allgemeine Transportpflicht der Bahnen für Personen, Thiere und
Sachen auf, ausgenommen in folgenden 3 Fällen, welche eine Konsequenz des Grund-
satzes: „ultra possc nemo tenetur“ sind: a) wenn außergewöhnliche Hindernisse,
d. h. Betriebsstörungen, welche nicht sofort beseitigt werden können, vorliegen;
b) wenn höhere Gewalt vorliegt; c) bei Insuffizienz der regelmäßigen Transport-
mittel, d. h. derjenigen, welche für den durchschnittlichen, jährlichen sowie in regel-
mäßigen Zeitabschnitten wiederkehrenden gesteigerten Verkehr genügen.
Abschnitt II. a) Beförderung von Personen. Ueber die Verpflichtung
der Eisenbahnen zum Transport von Personen, über Rechte und Pflichten der
Passagiere gegenüber den ersteren und umgekehrt, ferner über die Modalitäten des
Personentransportes existiren in Deutschland gesetzliche Bestimmungen nicht, mit
Ausnahme des Reichsgesetzes vom 7. Juni 1871, „die Entschädigungspflicht der
Eisenbahnen bei Tödtungen und Verletzungen der Reisenden betreffend“. Der Passagier-
vertrag wird daher in der Regel unter die Vertragsgruppen des Civilrechts eingereiht
und entweder als locatio conductio operis, oder als Innominatkontrakt (Koch, Anl.,
S. 371) oder als locatio conductio rei (v. Hahn, Komment. z. HG#. S. 539)
aufgefaßt. Endemann, S. 706, nennt ihn „Arbeitsgeschäft".
Da es beim Personentransport der Eisenbahnen, der nach Art. 272, Abs. 3
des H#B. ein Handelsgeschäft ist, nicht angeht, in jedem einzelnen Fall mit
einem Passagier die Bedingungen des Transports zu verabreden, so haben die Eisen-
bahnaussichtsbehörden generelle Bedingungen publizirt, die für jeden Personen-
transport gelten, d. i. Abschnitt IIa des Betriebsreglements. Fahrplan und Tarif,
deren Publikation nach §§ 7 und 8 des Betriebsreglements obligatorisch ist,
regeln die Fahrzeiten, die Fahrpreise und Transportweise, z. B. ob in
Schnell-, Vergnügungszügen, ob sie Extrafahrten gewähren 2c. Für Extra-
fahrten bestehen seit 1. März 1878 einheitliche Tarifbestimmungen im Gebiet
des Deutschen Eisenbahnvereins, ebenso über die Beförderung von Salon-, Personen-,
Kranken= und besonderen Gepäckwagen, welche die direkte Abfertigung im ganzen
Vereinsgebiet ermöglichen.
Der Passagiervertrag ist perfekt in dem Momente, in welchem der Billetpreis
bezahlt ist. Die Aushändigung des Billets, welches den Charakter einer nachträglich
und einseitig ertheilten Quittung und eines Legitimationspapiers hat, ist nicht Voraus-
setzung für die Perfektion, wenn auch der Nachweis des Vertragsabschlusses dem nicht
im Besitz eines Billets befindlichen Passagier erschwert sein wird. Der Billetverkauf