Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

888 Reglement der Eisenbahnen. 
Was die Haftpflicht der Eisenbahn für ihr Personal anlangt, so haftet sie 
qua Frachtführer (Art. 400 des HGB.): 
1) nur für solches Personal, dessen sie sich zur Ausführung des Transports 
bedient, das also mit der Expedition und Beförderung der Güter im ursächlichen 
Zusammenhang stehende Handlungen vorzunehmen hat; 
2) nur für solche Handlungen und Unterlassungen dieses Personals, welche 
dasselbe in Ausübung seiner Dienstesfunktionen begangen hat; und 
3) welche weder vor dem Abschluß, noch nach Erfüllung des Frachtvertrages 
begangen wurden, ferner nicht für Mandatsexzesse dieses Personals. 
In allen diesen Ausnahmsfällen ist ihre Haftung nicht nach Art. 400 des HGB., 
sondern nach Art. 47 des HGB. zu bemessen. Da die Eisenbahn einen Transport 
als Ganzes (opus) übernimmt mit der Verpflichtung, rem salvam fore, so haftet 
sie für den Schaden, welcher durch Verlust oder Beschädigung des Guts vom Zeit- 
punkte des Abschlusses des Frachtvertrags bis zur Ablieferung entstanden ist, ohne 
Rücksicht, ob ihr ein Verschulden zur Last fällt (Art. 395 des HG#.). 
Nur in drei Fällen ist sie exkulpirt, wenn a) höhere Gewalt, b) natürliche 
Beschaffenheit des Guts, c) äußerlich nicht erkennbare Mängel der Verpackung die 
Ursache des Schadens sind. Obwol Art. 395 l. c. eigenes Verschulden des Ab- 
senders, oder seiner Leute als Exkulpationsgrund nicht enthält, hat die Eisenbahn 
solches doch nicht zu vertreten. 
Zur Begründung der Einrede der „höheren Gewalt“ gehört ein Ereigniß, 
„das unter den gegebenen Umständen auch durch die äußferste, 
diesen Umständen angemessene und vernünftiger Weife zu er- 
wartende Sorgfalt weder abzuwehren, noch in seinen schädlichen 
Folgen zu vermeiden war“ (Entsch. des ROHG. II. S. 259; VIII. S. 29, 
159). Wäre der durch „höhere Gewalt“ entstandene Schaden zwar zu vermeiden 
gewesen, aber nur durch außerordentliche ungewöhnliche Vorsichtsmaß- 
regeln, so haftet die Eisenbahn nicht (Entsch. des RO„-#. XIII. S. 321). Die 
Eisenbahn hat hiernach auch für den bei der Abwesenheit jeglichen 
Verschuldens vorliegenden einfachen Zufall einzustehen, z. B. jede 
mangelhafte Funktion der Betriebs= und Transportmittel; diese müssen bei jedem 
Transport so beschaffen sein, daß sie das Gut nicht beschädigen. 
Verlust oder Beschädigung durch die natürliche Beschaffenheit des Guts muß 
nach Naturgesetzen, z. B. durch unvermeidliche rüttelnde Bewegung des Wagens, 
durch den Transport in offenen Wagen, bzw. die Einflüsse der Witterung 
(Hitze, Kälte), also von innen heraus entstanden sein (innerer Verderb, Schwinden, 
gewöhnliche Leckage). 
Nachdem die ordentliche Verpackung Sache des Absenders ist, gilt mangelhafte 
Verpackung als eigenes Verschulden desselben oder seiner Leute. Ist sie äußerlich 
sichtbar und die Eisenbahn nimmt das Gut doch an, so wird darin stillschweigende 
Billigung der Verpackung gefunden, welche ihre Haftung begründet. 
Abgabe des Frachtguts zur Zoll= oder Steuerabfertigung auf der Bestimmungs- 
station gilt als Ablieferung und macht die Eisenbahn haftfrei. — Ist dem Empfänger 
vier Wochen nach Ablauf der Lieferfrist ein Gut nicht abgeliefert, so kann er es als 
verloren betrachten und Ersatz für Verlust fordern. Die Eisenbahn ist nach dieser 
Frist nicht mehr rückgabeberechtigt, wol aber rückgabepflichtig, wenn es wieder auf- 
gefunden und vom Empfänger verlangt wird. 
Unbeanstandete Annahme eines Guts und Bezahlung der Fracht (jedoch nur 
kopulativ) gilt als thatsächliche Billigung des Transports und macht die Eisenbahn 
haftfrei; bei Frankosendungen ist dieser Grundsatz nicht anwendbar, weil die Fracht 
vorausbezahlt ist. Ebenso dauert die Kontraktsklage gegen die Eisenbahn fort, wenn 
der Empfänger des Guts bei der Annahme desselben und Zahlung der Fracht die 
Mängel desselben äußerlich nicht wahrnehmen konnte, so daß also auch eine still- 
 
	        
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