Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Reichsfinanzwesen. 377 
III. Die einzelnen Einnahmsquellen des Reiches. 1) Gebühren. 
a) Die staatlichen Funktionen werden vom Reiche theilweise ohne Entgelt, theilweise 
gegen Entrichtung von Gebühren bethätigt: solche werden erhoben beim Reichsgericht, 
bei einzelnen der obersten Verwaltungsbehörden, bei den Konfulaten und den Gesandt- 
schaften. Dazu kommt noch die sog. statistische Gebühr, welche für die vorgeschriebene 
Anmeldung von Waaren, die die Grenze zum Zweck der Ein-, Aus= oder Durch- 
fuhr passiren, erhoben wird. 
Erhebliche Bedeutung für die Finanzen des Reiches haben diese Kategorien von 
Gebühren nicht. (Statistische Gebühr im Etat für 1881 netto 300 000 Mark, die 
verschiedenen Verwaltungseinnahmen etwas über 6½ Mill. Mark.) 
b) Von großer Wichtigkeit für die Finanzwirthschaft des Reiches dagegen sind 
die Einkünfte aus dem Post= und Telegraphenwesen. Die Post= und 
Telegraphenanstalten sind im Gesammtgebiete des Reiches als Staatsverkehrsanstalten 
organisirt und zwar unter Verwaltung der Centralgewalt; nur Bayern und Württem- 
berg haben ihre selbständige Verwaltung als Sonderrecht sich refervirt. Die Ver- 
gütung, welche für Benutzung jener Staatsanstalten des Reiches zu entrichten ist, 
fällt somit staatsrechtlich auch unter den Begriff der „Gebühr“; die Gebühren für 
Benutzung der Reichspost= und Telegraphenanstalten fallen in die Reichskasse; 
die Höhe derselben ist für die Postanstalten durch Gesetz, für die Telegraphenanstalten 
durch Verordnung des Bundesrathes normirt. 
c) Böllig unter den gleichen rechtlichen Gesichtspunkten sind die Elfaß- 
Lothringischen Reichseisenbahnen zu betrachten. Auch sie sind gemäß den Be- 
stimmungen des Frankfurter Friedens, bzw. der hieran angeknüpften Reichsgesetzgebung, 
Staatsanstalten des Reiches, die Vergütung für Benutzung derselben somit staatliche 
Gebühr, welche in die Reichskasse fällt. 
Die Bestimmung der RVerf. Art. 49, daß die Einnahmen aus den Post= und 
Telegraphenanstalten in erster Linie zur Deckung der Ausgaben zu verwenden seien 
und die „Ueberschüsse“ in die Reichskasse fließen, ist gegenstandslos: die Verrechnung 
der Einnahmen und Ausgaben erfolgt lediglich im Etat, ohne daß beide Posten auf 
einander nothwendig influiren müßten; auch wenn statt „Ueberschüssen“ der Einnahmen 
Defizits vorhanden wären, müßte das Reich doch die Ausgaben für die „Staatsverkehrs- 
anstalten“ tragen (die Bruttoerträgnisse von Post und Telegraphen betragen ca. 135, 
die Nettoerträgnisse ca. 18½⅛ Mill. Mark, die der Eisenbahnen 36 u. 10 Mill. Mark). 
d) Unter die Kategorie der Gebühren fällt endlich noch derjenige Betrag, welcher 
an die Reichskasse von Privaten für Benutzung der staatlichen Prägeanstalten ent- 
richtet werden muß (Münzgesetz Art. 12 Abf. 4). 
2) Reichssteuern. Als solche bestehen bis jetzt nur a) die Stempel- 
abgabe von Wechseln (ca. 6 Mill. Mark); b) die Stempelabgabe für 
Spielkarten (ca. 1 Mill. Mark). 
a) Alle Wechfel, welche im Deutschen Reiche ausgestellt werden oder cirkuliren 
oder irgendwelchen anderen rechtlichen Funktionen genügen sollen, bedürfen eines 
staatlichen Stempels, für dessen Ertheilung eine nach der Höhe des Wechsels ver- 
schieden bemessene Abgabe erhoben wird. Die Art der Erhebung dieser Abgabe ist 
die nämliche wie bei den Post= und Telegraphengefällen, nämlich vermittelst zu 
lösender und auf den Wechsel aufzuklebender Marken. Doch kann hier der Begriff 
„Gebühr“ nicht verwendet werden, da keine „Anstalt“ des Staates benutzt wird. 
Die Verwaltung der Reichsstempelsteuer erfolgt durch die Postanstalten. 
b) Ebenso bedürfen alle Karten, welche im Deutschen Reiche zum Zwecke des 
Spieles fabrizirt oder verwendet werden, eines staatlichen Stempels, für dessen Er- 
theilung eine bestimmte Abgabe berechnet wird; der Stempel wird von den Steuer- 
behörden ertheilt. 
) Ferner ist hier zu nennen die allgemeine Steuer, welche von der Reichsbank, 
sowie von den übrigen, Noten emittirenden Banken unter gewissen Voraussetzungen
	        
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