Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

402 Reichsland. 
Lit.: Kletke, Lit. über das lh d. Preuß. Staats, 3. Aufl. 1876, S. 319 ff.; 
Ders - Der Prußisce Staats r*# Zeitschr. für Preuß. Gesch. und Landeskunde Jahrg. 
IV. 1867 S. 100 ff., 288 ff.). — Riedel, Der Brandenb.-Preuß. Staatshaushalt, Berlin 
1866. — Adolph iichstt Neichsfinanzwesen, in v. Holtzendorff' 3 Jahrb. Bd. 
(1874) S. 67, 152. — Stenogr. Bericht des Preuß. /77 1855 53. bes. Drucks. des * 
Nr. 20 und . und 1871/72 bes. Drucks. des Abg. Stenogr. Ber. des Reichs- 
tags, 1871. I. Legisl. Per., 2. Sess., Bd. I. S. 24 ff., 117 ff., 148 ff.; Ge. II. Nr. 5, 30. 
Ernst Meier. 
Reichsland ist das in Art. I. des Versailler Präliminar-Friedensvertrages 
vom 26. Februar 1871 und in Art. I. des definitiven Frankfurter Friedensver- 
trages vom 10. Mai 1871 von Frankreich dem Deutschen Reiche abgetretene und 
durch das RGes. vom 9. Juni 1871 mit dem letzteren für immer vereinigte Gebiet, 
dessen Grenzen in den erwähnten Friedensverträgen und deren Nachtragskonventionen 
(vom 12. Oktober 1871 Art. 10 (R.G.Bl. S. 367, 368), vom 24./27. 
August und 28./31.- August 1872 (G.Bl. f. Elfaß= Lothringen S. 283, 287)) 
näher festgesetzt sind (Elsaß- Lothringen). Bereits in der Kab. Ordre vom 14. und 
21. August 1870, durch welche ein Generalgouvernement für das Elsaß errichtet 
wurde und in der Proklamation des Generalgouverneurs vom 30. August desselben 
Jahres ist ausdrücklich ausgesprochen, daß die Besetzung des Landes keine vorüber- 
gehende sein sollte. Die Besitzergreifung erfolgte von vornherein mit dem animus 
domini. Nach richtiger Meinung ist daher der völkerrechtliche Erwerbstitel des R. 
für das Reich in der debellatio zu sehen, welche durch die Friedensverträge ihre 
förmliche Sanktion erhielt (Kayser in v. Holtzendorff's Jahrb. IV. S. 152 ff.; 
Zorn, Staatsrecht, I. S. 422), während andere (Löning, Verwaltung des Ge- 
neralgouvernements, S. 8 ff., 27 ff.; Bluntschli in v. Holtzendorff's Jahr- 
buch I. S. 307; Laband, Staatsrecht, II. S. 121) den völkerrechtlichen Titel 
in den Friedensverträgen und den staatsrechtlichen in dem Vereinigungsgesetz sehen 
wollen. Praktisch ist die Frage bezüglich der Geltung verschiedener von der Fran- 
zösischen Regierung de la défense nationale erlassenen Gesetze für solche Gebiete von 
Elsaß-Lothringen, welche wie z. B. die Festung Bitsch zur Zeit des Erlasses sich 
noch in Feindeshand befanden (Löning, a. a. O. S. 181—196; v. Richt- 
hofen, Ueber die staatsrechtliche Gültigkeit der während des Krieges seitens der 
Französischen Regierung erlassenen Gesetze und Dekrete für Elsaß-Lothringen 1874; 
Kayser, a. a. O. S. 137, 151—153). Gerichtlich ist die Frage dahin ent- 
schieden, daß die Gültigkeit der Französischen Anordnungen für diejenigen Landes- 
theile angenommen wurde, welche am Tage des Ablaufs der Publikationsfrist nicht 
schon von den Deutschen Heeren besetzt waren. Wenngleich von Anfang der Ein- 
verleibung an kein Zweifel darüber obwaltete, daß Elsaß-Lothringen nicht den Bundes- 
gliedern des Reichs gleich stand, so war man sich doch über die Natur seiner 
Stellung zum Reich nicht klar (Stenogr. Ber. 1871, I. Sess. S. 833). Der Aus- 
druck „unmittelbares R.“ findet sich bereits in den Motiven zu dem Vereinigungs- 
gesetz (Drucks. des Reichstages 1871, I. Seff., Nr. 61, S. 6) und ist sodann in 
das Gesetz vom 25. Juni 1873 (R. G. Bl. S. 61) übergegangen, welches bei Ein- 
führung der Verfassung in § 2 bestimmt, daß dem in Art. 1 der Verfassung be- 
zeichneten Bundesgebiet das Gebiet des R. Elsaß-Lothringen hinzutritt. Ueber 
dasselbe steht die Landeshoheit, die Staatsgewalt dem Reiche als solchem zu, nicht, 
wie mit Unrecht Seydel (Kommentar zur RVerf., S. 93 ff.) will, den verbündeten 
Regierungen; die Ausübung der Staatsgewalt ist aber dem Kaiser im Namen des 
Reichs übertragen (Ges. vom 9. Juni 1871, § 3). Nach dieser Richtung ist die 
Stellung des R. zum Reich und zu den einzelnen Bundesstaaten immer eine un- 
veränderte geblieben. Die Folgerungen hieraus werden sich jedoch erst ziehen lassen, 
wenn eine Darstellung der Verfassung des R., wie sie jetzt besteht, gegeben ist. Vor- 
her aber muß ein Blick auf die geschichtliche Entwickelung dieser Verfassung geworfen 
werden.
	        
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