Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Reichsland. 407 
ausschusses ernannten und noch fünf bis sieben aus Allerhöchstem Vertrauen be— 
rufenen Mitgliedern besteht, und welchem die Begutachtung von Gesetzentwürfen und 
allgemeinen Ausführungsverordnungen sowie von anderen ihm durch den Statthalter 
überwiesenen Angelegenheiten obliegt. Außerdem können dem Staatsrath durch die 
Landesgesetzgebung noch andere, insbesondere beschließende Funktionen übertragen 
werden, wobei namentlich in Aussicht genommen ist, daß aus demselben ein oberster Ver- 
waltungsgerichtshof gebildet werde, auf den die Befugnisse des Kaiserl. Rechts und die 
Entscheidung von Kompetenzkonflikten (GVG. § 17) übertragen werden können (Ges. 9). 
D. Der Landesausschuß. Die Zahl der Mitglieder ist auf 58 erhöht, 
von denen 34 durch die Bezirkstage, 4 in den vier großen Städten des Landes 
(Straßburg, Mülhausen, Metz, Colmar) und 20 von den 20 Landkreisen gewählt 
werden. Die Abgeordneten der Städte werden von den Gemeinderäthen aus deren 
Mitte, die Abgeordneten der Kreise indirekt durch Wahlmänner gewählt, die von 
den Gemeinderäthen aus ihrer Mitte ernannt werden. Die Wahl ist geheim, die 
Dauer der Wahlperiode beträgt drei Jahre (§§ 12—18), das Wahlreglement er- 
folgte durch Kaiserliche Verordn. vom 1. Oktober 1879. Erweitert sind die Rechte 
des Landesausschusses durch das ihm verliehene Recht der Gesetzesinitiative und der 
Ueberweisung von Petitionen an das Ministerium. Die Mitglieder des letzteren 
haben das Recht, den Sitzungen des Landesausschusses und seiner Kommissionen bei- 
zuwohnen, und müssen jederzeit gehört werden (§§ 20, 21). Die Geschäftssprache ist 
nach dem RGef. vom 23. Mai 1881, welches am 1. März 1882 in Kraft trikt, die 
Deutsche. Eine Indemnität für Aeußerungen im Landesausschuß ist nicht gewährleistet. 
E. Bundesrath. Eine Vertretung des R. im Bundesrath würde aus 
demselben einen selbständigen Gliedstaat des Reiches gemacht haben und eine Sou- 
veränetät bedingen, die nicht im Reiche selbst ruhen kann. Materiell ist aber zur 
Vertretung der Vorlagen aus dem Bereiche der Landesgesetzgebung, sowie der Interessen 
des R. bei Gegenständen der Reichsgesetzgebung der Statthalter befugt, Kommissare 
in den Bundesrath zu senden, welche an dessen Berathungen Theil nehmen (Gesetz 
§ 7); sie haben das Recht, Anträge zu stellen und Referate zu erstatten, auch sind 
ihnen die Vorlagen zuzustellen (Geschäftsordn. d. Bundesraths vom 26. April 1880, § 5). 
F. Die Gesetzgebung im R. kann hiernach in folgender Weise erfolgen: 
1) Formelle Landesgesetze; sie werden vom Kaiser in Uebereinstimmung von 
Bundesrath und Landesausschuß erlassen. 
2) Landesherrliche Verordnungen; sie werden vom Kaiser oder kraft dessen 
Delegation vom Statthalter oder endlich von demjenigen Organe erlassen, dem ein 
Landesgesetz die Ausführung überträgt. 
3) Landesgesetze in den Formen der Reichsgesetzgebung; sie werden vom Kaiser 
nach Zustimmung des Bundesraths und Reichstags verkündet. 
4) Landesherrliche Nothstandsverordnungen; sie werden vom Kaifer mit Zu- 
stimmung des Bundesraths erlassen, wenn der Reichstag nicht versammelt ist, nach 
Maßgabe des Gesetzes vom 25. Juni 1873 l 5. 
5) Ausführungsverordnungen zu den im Wege der Reichsgesetzgebung erlassenen 
Landesgesetzen; sie ergehen vom Kaiser oder dem durch das Gesetz delegirten Organe. 
III. Die besondere Stellung des R. im Reich. Die Deutsche 
RVerf. setzt die Selbständigkeit der zu einem Bunde vereinigten souveränen Staaten 
voraus, in denen neben der Reichsgewalt noch eine eigene, von ihr völlig losgelöste 
und unabhängige Landesgewalt in den dieser durch die NVerf. belassenen Gebieten 
mit eigener Hoheit fortbesteht. Diese souveräne Selbständigkeit fehlte dem R.; letz- 
teres ist eine Provinz des Reichs, hat keine eigene Selbstverwaltung, sondern wird 
von dem Reiche als solchem regiert, Reichsgewalt und Landesgewalt fallen in ihm 
zusammen. Diese Konsequenzen sind jedoch von Anfang an nicht vollständig 
gezogen, indem sofort seit der Einverleibung in finanzieller Hinsicht das R. den 
Bundesstaaten gleich behandelt wurde; der Landesfiskus wird von dem Reichsfiskus
	        
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