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ausschusses ernannten und noch fünf bis sieben aus Allerhöchstem Vertrauen be—
rufenen Mitgliedern besteht, und welchem die Begutachtung von Gesetzentwürfen und
allgemeinen Ausführungsverordnungen sowie von anderen ihm durch den Statthalter
überwiesenen Angelegenheiten obliegt. Außerdem können dem Staatsrath durch die
Landesgesetzgebung noch andere, insbesondere beschließende Funktionen übertragen
werden, wobei namentlich in Aussicht genommen ist, daß aus demselben ein oberster Ver-
waltungsgerichtshof gebildet werde, auf den die Befugnisse des Kaiserl. Rechts und die
Entscheidung von Kompetenzkonflikten (GVG. § 17) übertragen werden können (Ges. 9).
D. Der Landesausschuß. Die Zahl der Mitglieder ist auf 58 erhöht,
von denen 34 durch die Bezirkstage, 4 in den vier großen Städten des Landes
(Straßburg, Mülhausen, Metz, Colmar) und 20 von den 20 Landkreisen gewählt
werden. Die Abgeordneten der Städte werden von den Gemeinderäthen aus deren
Mitte, die Abgeordneten der Kreise indirekt durch Wahlmänner gewählt, die von
den Gemeinderäthen aus ihrer Mitte ernannt werden. Die Wahl ist geheim, die
Dauer der Wahlperiode beträgt drei Jahre (§§ 12—18), das Wahlreglement er-
folgte durch Kaiserliche Verordn. vom 1. Oktober 1879. Erweitert sind die Rechte
des Landesausschusses durch das ihm verliehene Recht der Gesetzesinitiative und der
Ueberweisung von Petitionen an das Ministerium. Die Mitglieder des letzteren
haben das Recht, den Sitzungen des Landesausschusses und seiner Kommissionen bei-
zuwohnen, und müssen jederzeit gehört werden (§§ 20, 21). Die Geschäftssprache ist
nach dem RGef. vom 23. Mai 1881, welches am 1. März 1882 in Kraft trikt, die
Deutsche. Eine Indemnität für Aeußerungen im Landesausschuß ist nicht gewährleistet.
E. Bundesrath. Eine Vertretung des R. im Bundesrath würde aus
demselben einen selbständigen Gliedstaat des Reiches gemacht haben und eine Sou-
veränetät bedingen, die nicht im Reiche selbst ruhen kann. Materiell ist aber zur
Vertretung der Vorlagen aus dem Bereiche der Landesgesetzgebung, sowie der Interessen
des R. bei Gegenständen der Reichsgesetzgebung der Statthalter befugt, Kommissare
in den Bundesrath zu senden, welche an dessen Berathungen Theil nehmen (Gesetz
§ 7); sie haben das Recht, Anträge zu stellen und Referate zu erstatten, auch sind
ihnen die Vorlagen zuzustellen (Geschäftsordn. d. Bundesraths vom 26. April 1880, § 5).
F. Die Gesetzgebung im R. kann hiernach in folgender Weise erfolgen:
1) Formelle Landesgesetze; sie werden vom Kaiser in Uebereinstimmung von
Bundesrath und Landesausschuß erlassen.
2) Landesherrliche Verordnungen; sie werden vom Kaiser oder kraft dessen
Delegation vom Statthalter oder endlich von demjenigen Organe erlassen, dem ein
Landesgesetz die Ausführung überträgt.
3) Landesgesetze in den Formen der Reichsgesetzgebung; sie werden vom Kaiser
nach Zustimmung des Bundesraths und Reichstags verkündet.
4) Landesherrliche Nothstandsverordnungen; sie werden vom Kaifer mit Zu-
stimmung des Bundesraths erlassen, wenn der Reichstag nicht versammelt ist, nach
Maßgabe des Gesetzes vom 25. Juni 1873 l 5.
5) Ausführungsverordnungen zu den im Wege der Reichsgesetzgebung erlassenen
Landesgesetzen; sie ergehen vom Kaiser oder dem durch das Gesetz delegirten Organe.
III. Die besondere Stellung des R. im Reich. Die Deutsche
RVerf. setzt die Selbständigkeit der zu einem Bunde vereinigten souveränen Staaten
voraus, in denen neben der Reichsgewalt noch eine eigene, von ihr völlig losgelöste
und unabhängige Landesgewalt in den dieser durch die NVerf. belassenen Gebieten
mit eigener Hoheit fortbesteht. Diese souveräne Selbständigkeit fehlte dem R.; letz-
teres ist eine Provinz des Reichs, hat keine eigene Selbstverwaltung, sondern wird
von dem Reiche als solchem regiert, Reichsgewalt und Landesgewalt fallen in ihm
zusammen. Diese Konsequenzen sind jedoch von Anfang an nicht vollständig
gezogen, indem sofort seit der Einverleibung in finanzieller Hinsicht das R. den
Bundesstaaten gleich behandelt wurde; der Landesfiskus wird von dem Reichsfiskus