Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

420 Reisekosten der Zeugen und Sachverständigen. 
29. März 1844 stellten unter Angabe einer Maximal= und Minimalgrenze eine 
relative Höhe fest und überließen es dem Ermessen des Gerichtes, innerhalb der- 
selben im Einzelfalle den Betrag je nach dem Stande und Gewerbe der zu ver- 
nehmenden Person zu bestimmen, wobei Sachverständige höher dotirt waren, als 
Zeugen. Die wirkliche Auslage an R. blieb unberücksichtigt: nur insofern wurde 
ihr Rechnung getragen, als es der vernommenen Person freigestellt war, einen etwa 
höheren Betrag nachzuweisen und seine Erstattung zu fordern. In Preußen fand 
dieses Prinzip eine Aenderung in dem Gesetz vom 1. Juli 1875, dessen Grundsätze 
mit einer einzigen Aenderung in die Reichsgesetzgebung übergegangen sind. Diese 
hat nämlich die Materie durch die Verordn. vom 30. Juni 1878 (R.G.Bl. S. 175) 
einheitlich geordnet. Sie macht keinen Unterschied zwischen Zeugen und Sachverstän- 
digen, wol aber — und darin unterscheidet sie sich von dem Preußischen Gesetze — 
einen solchen zwischen öffentlichen Beamten und Privatpersonen. Da sie den Begriff 
der ersteren nicht näher definirt, sind die verschiedensten Auslegungen derselben geltend 
gemacht worden, insbesondere hat man zu ihnen die Rechtsanwälte und die mittel- 
baren Staatsbeamten gezählt. Daß die Ersteren, wenn ihnen auch die Gebühren- 
ordnung vom 7. Juli 1879 besondere Gebührensätze für Geschäftsreisen zubilligt, 
nicht zu den Beamten gehören, folgt nicht nur aus den Bestimmungen der Rechts- 
anwaltsordnung, sondern schon aus dem Umstande, daß das Gesetz ihre Reisen nicht 
Dienst-, sondern Geschäftsreisen nennt. Dagegen sind die mittelbaren Staatsbeamten 
öffentliche Beamte. Allein daraus folgt noch nicht ihre Unterordnung unter die 
Vorschrift der Verordn. vom 30. Juni 1878. Vielmehr bietet diese als Kriterium 
für den von ihr gebrauchten Begriff den Satz, daß die öffentlichen Beamten nach 
Maßgabe der für ihre Dienstreisen geltenden Vorschriften entschädigt werden sollen. 
Wo also und insoweit das Landesrecht Gesetze oder Verordnungen enthält, durch 
welche für Dienstreisen dieser mittelbaren Staatsbeamten bestimmte Entschädigungs- 
sätze festgesetzt und normirt werden, sind ihre Ansprüche auf R. nach diesen zu be- 
handeln, andernfalls aber werden sie als Privatpersonen angesehen werden müssen. 
Diese verschiedene Behandlung der öffentlichen Beamten tritt jedoch nur dann 
in Wirkung, wenn sie als Zeugen über Umstände vernommen werden sollen, von 
welchen sie in Ausübung ihres Amtes Kenntniß erhalten haben, wenn sie also in 
ihrer Eigenschaft als Beamte Zeugniß abzulegen haben, oder wenn sie als Sach- 
verständige aus Veranlassung ihres Amtes zu hören sind, und die Ausübung der 
zur Abgabe des Gutachtens erforderlichen Wissenschaft oder Kunst zu den Pflichten 
ihres Amtes gehört. 
Privatpersonen dagegen erhalten eine Entschädigung für die Kosten der Reise, 
wenn der von ihnen zurückzulegende Weg die Länge von zwei Kilometern übersteigt. 
Bei der Abmessung der Entschädigung wird unterschieden, ob nach ihren persönlichen 
Verhältnissen oder in Folge besonderer Umstände die Benutzung eines Transport- 
mittels für angemessen zu erachten ist oder nicht. Es ist also bei der Prüfung zu 
berücksichtigen einestheils die durch Rang, Stand oder Reichthum bedingte Gepflogen- 
heit des Gebrauchs von Transportmitteln, anderntheils die thatsächliche Lage der 
Person nach ihren Körper= und Gesundheitsverhältnissen, im Vergleich zu der Länge 
des zurückzulegenden Weges. Erscheint der Gebrauch eines Transportmittels an- 
gemessen, so soll ohne peinliche Untersuchung, ob der Entschädigungsberechtigte sich 
zur Zurücklegung der Reise eines Transportmittels bedient habe, und welcher Aus- 
lagenbetrag ihm dadurch entstanden sei, eine nach billigem Ermessen die erforderlich 
gewesenen Kosten deckende Entschädigung gezahlt werden. Es soll der Zeuge oder 
Sachverständige durch den Empfang der R. keinen Gewinn erzielen und deshalb nur 
einen Betrag erstattet erhalten, der nach der Ansicht des Gerichts seine Auslagen 
ungefähr deckt. Hieraus könnte folgen, daß derjenige Zeuge oder Sachverständige, 
der sich eines Fuhrwerks nicht bedient und seinen Verhältnissen nach zur Zurücklegung 
des Weges nach der Gerichtsstelle auch nicht zu bedienen pflegt, somit Auslagen
	        
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