Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Religionsverbrechen. 427 
Verspottung, Herabwürdigung zu verletzen und dadurch gegen die Religion überhaupt Ver- 
achtung an den Tag zu legen. Diese Absicht besteht bei dem Verbrechen der Blasphemie 
nicht immer und nothwendig schon in der Aeußerung gotteslästerlicher Worte oder frevel- 
hafter Flüche an und für sich, weil nicht in jedem lästerlichen Ausrufe oder Fluche 
aus Roheit, Unüberlegtheit, nationaler Unart schon unverkennbar die Absicht, Gott 
zu lästern und dessen Heiligkeit herabzusetzen, enthalten ist. Das Deutsche StrafG B. 8 166 
fordert öffentlich beschimpfende Aeußerungen, zur Unterscheidung von leichtfertigen 
arglosen Redensarten. Erregung eines Aergernisses durch öffentliche Lästerung 
ist wesentlich, auch wenn nur eine Person Aergerniß genommen hat (Erk. d. Reichsger. 
vom 12. Juli 1880. Entsch. II. 196; Rechtspr. II. 183). Früheres Landesstraf- 
recht. Sachsen fordert „zum öffentlichen Aergernisse“ über Gott und göttliche Dinge 
herabwürdigende, verhöhnende oder verächtliche Aeußerungen. Bayern verlangt einen 
Angriff durch Ausdrücke oder Zeichen der Verachtung oder Verspottung vor einer 
Menschenmenge oder mittels eines Preßerzeugnisses. Preußen, Sachsen, Thüringen, 
Braunschweig, Lübeck heben die Gotteslästerung ausdrücklich hervor in Zusammenfassung 
mit der Herabwürdigung der Gegenstände religiöser Verehrung, der Lehren, Einrichtungen 
oder Gebräuche, sowie mit der Verunehrung der dem Gottesdienste gewidmeten Geräth- 
schaften oder kirchlich-symbolischen Sachen, auch der blos geduldeten Konfessionen. 
Unpassend wird auch die Aufreizung zum Religionshasse hierher gezogen, welche unter 
den Gesichtspunkt einer Störung des Religionsfriedens fällt, mag sie vermittelst der 
Beschimpfung von Gegenständen religiöser Verehrung der bestehenden Religionspar- 
teien oder auf andere Weise verübt werden. Richtiger wird die Erweckung des Re- 
ligionshasses und die Aneiferung zur Verfolgung fremder Religionsparteien als eine 
eigene Art der Störung des Religionsfriedens behandelt. Uebrigens muß es den 
Bekennern und Lehrern der verschiedenen im Staate ausgenommenen Konfessionen 
freistehen, die Unterscheidungsmerkmale ihres Bekenntnisses darzustellen und durch 
Anführung ihrer Gründe und Zeugnisse zu rechtfertigen. Auf theologische Kontro- 
versen innerhalb der Grenzen einer wissenschaftlichen Polemik kann das Strafsgesetz 
keine Anwendung finden; nur verhöhnende oder verächtliche Aeußerungen, in der 
Absicht, ein gesetzlich anerkanntes oder geduldetes Glaubensbekenntniß herabzuwür- 
digen, überschreiten diese Grenzen. Der Oesterr. Entw. von 1868 stellt den Fall 
mit der Gotteslästerung zusammen, wenn Jemand Andere öffentlich von dem Glauben 
an Gott abwendig zu machen sucht. Mit dieser Redewendung wollte der un- 
bestimmte dunkle Ausdruck Unglaube genauer bezeichnet werden. Durch diese miß- 
lungene Textirung sollte für die Negation Gottes, für den Atheismus und Ma- 
terialismus ein Plätzchen in dem entehrenden Zuchthause reservirt werden. Nach 
diesem undefinirbaren Unrechte müßten auch Schiller und Goethe für ihre 
Götter Griechenlands und ihren Prometheus ins Zuchthaus wandern. Zwischen 
Gegenständen religiöser Verehrung und Sachen, die dem Gottesdienste gewidmet sind, 
ist zu unterscheiden, und darüber, ob eine Sache dem Gottesdienste gewidmet ist, 
kann nur das Gutachten der betreffenden Religionsdiener maßgebend sein. Erfordert 
wird, daß in Kirchen und anderen religiösen Versammlungsorten der beschimpfende 
Unfug an den bezeichneten Gegenständen stattfinde, mithin an Orten, welche an und 
für sich einen religiösen Charakter haben, abgesehen davon, ob dies während einer 
gottesdienstlichen Verrichtung geschieht oder nicht. 
2) Verbrechen gegen den Religionsfrieden. Hierher gehören die Störung 
oder die Verhinderung gottesdienstlicher Handlungen oder anderer öffentlicher oder häus- 
licher Religionsübungen, die Aufreizung zum Religionshafse gegen eine fremde Re- 
ligionspartei. Bei der Störung, Verhinderung, Erzwingung, Unterbrechung der 
Religionsübung ist das Recht der Bekenntniß= und Kultusfreiheit der Mitglieder einer 
im Staate bestehenden Religionsgesellschaft das Objekt dieser Art von R. Dieser 
Verbrechen macht sich schuldig, wer unbefugt den Gottesdienst oder gottesdienstliche 
Verrichtungen oder andere religiöse Handlungen und Feierlichkeiten einer gesetzlich
	        
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