Remuneratorische Schenkung. 433
pflicht, Freundschaft rc. auf die rechtliche Beurtheilung keinen Einfluß äußert, darüber
herrscht allseitige Einstimmigkeit. Dagegen streitet man im Gem. Recht über den
Fall, daß Dankbarkeit für empfangene Dienste oder Leistungen die Schenkung her-
beiführte. Die Quellen des Röm. Rechts legen der besonderen Art des Wohl-
wollens (aftectio) keine Bedeutung bei; sie stellen honestae donationes erga bene
merentes amicos und inhonestae (3. B. erga meretrices) ganz gleich (I. 5 D.
39, 5). Wollte man überhaupt schenken, so kam es auf den Beweggrund nicht an
und man konnte das Geleistete auch nicht zurückfordern, wenn sich dieser als falsch
erwies (1. 65 § 2 D. 12, 6; 1. 3 S§ 7 D. 12, 4; I1. 10 § 13 D. 17, 1; 1. 12
eod.). Gutgläubige Erbschaftsbesitzer sollen für r. Sch. nicht haften, „quamvis ad
remunerandum aliquem sibi naturaliter obligaverunt (1. 25 § 11 D. 5, 3), allein
wie in vielen anderen Fällen (1. 26 § 12; 1. 32 § 2 D. 12, 6; I. 54 § 1 D.
47, 2) ist hier die Naturalobligation nicht im technischen Sinne aufzufassen, sondern
auf Anstandsrücksichten zu deuten, welche Jemanden zu gewissen Leistungen bewegen
können. Nur in einer einzigen Stelle wird die r. Sch. an den Lebensretter als
merces bezeichnet und dieser Fall von allen Schenkungsbeschränkungen des Cincischen
Gesetzes, der Widerruflichkeit, der Insinuation, der Ungültigkeit unter Ehegatten aus-
geschlossen. (I. 34 § 1 D. 39, 5; Paull. S. R. V. 11 § 6; I. 19 § 1 -D.
eod. deutet offenbar auf eine obligatorische Verpflichtung wegen empfangener operae
liberales, eine solche liegt auch in dem thatsächlichen Verhältniß der 1. 27 in Ver-
bindung mit 1. 32 D. 39, 5.) Auf Grund dieser Ouellenbelege muß die Ansicht,
welche in der r. Sch. eine reine Schenkung sieht — mit Ausnahme der Lebens-
rettung —, als die richtige betrachtet werden (Keller, Pandekten, §71; Wind-
scheid, § 368). Ihr gegenüber wird von Einigen die r. Sch. als Erfüllung einer
Naturalobligation (vgl. Marezoll, S. 31; Meyerfeld, S. 376 ff.), von An-
deren als oneroser Vertrag mit allen seinen Wirkungen angesehen (Schweppe,
Privatrecht, § 499), von Anderen endlich (Puchta, § 71; Arndts, § 83; Sa-
vigny, IV. S. 94; Sintenis, § 23, Anm. 11; v. Vangerow, I. 8 125;
Mühlenbruch, Lehrbuch, § 443; Meyerfeld, I. S. 374 ff.; Marezoll,
Zeitschrift, I. S. 30 ff.; Schilling, Institut., S. 921 ff.) sind zahllose Mittel-
meinungen aufgestellt worden, welche bald die eigenthümlichen Regeln der Schenkung
anwenden, bald ganz oder theilweise ausschließen. Harburger, S. 15, tritt wieder
für die Savignyfsche Meinung ein, wonach bei der r. Sch. der Begriff der
Schenkung mit allen ihren Folgen ausgeschlossen sein soll. Die Praxis schwankt.
Von den Partikulargesetzbüchern nimmt der Cod. Max. Bav. die Schenkungen
in „Remunerationen sonderbar= und erweislicher Verdienste“ von der Insinnation
aus; das Oesterr. BG. folgt der richtigen Ansicht, indem es die r. Sch. den
übrigen gleich stellt, vorausgesetzt, daß der Beschenkte auf die Leistung kein Klage-
recht hatte, sonst liegt ein entgeltlicher Vertrag vor. Auch der Code civil stellt für
r. Sch. keine abweichenden Grundsätze auf. Dagegen steht das Preuß. Allg. LR.
auf der unrichtigen, z. Z. der Redaktion herrschenden Gem. Praxis; es setzt eine
löbliche Handlung oder wichtigen Dienst des Empfängers voraus, den dieser im Be-
streitungsfalle zu beweisen hat. Die Beweislast geht auf den Anfechtenden über,
wenn — was vorgeschrieben ist — das schriftliche Versprechen die zu belohnende
Handlung enthält. Der Widerruf findet nur wegen Uebermaßes statt und steht den
Notherben nicht zu. Das Sächs. BB. schließt Form und Widerruf nur dann aus,
wenn durch die Schenkung Dienstleistungen vergolten werden, welche gewöhnlich be-
zahlt zu werden pflegen, und der übliche Preis der Schenkung gleichkommt.
Quellen: I. 5; I. 19 § 1; 1.. 27; 32; 34 § 1 D. 39, 5. — Paull., Sent. Rec. V.
11 § 6. — I. 25 88 11 D. 5, 3. — Cod. Max. Bav. III. 9 — Oesterr. BGB. 88 940,
er — Code civ. art. 960. — Preuß. Allg. LR. I. 11 §§ 1169—1177. — Sächf. BéB.
v. voltzendorff, Enc. II. Rechtslexikon III. 3. Aufl. 28