Reservatrechte. 453
abgebe; die Instruktion aber sei ausschließlich Sache des Landesherrn, somit könne
von irgendwelcher Betheiligung parlamentarischer Faktoren an jener Erklärung keine
Rede sein. Diese Ansicht wird nach offizieller Erklärung im Reichstag (v. Lutz,
v. Mittnacht) von der Bayerischen und Württembergischen Regierung getheilt. Die
Schriftsteller dieser Meinung differiren nur insofern, als einige es allerdings für
statthaft halten, durch Landesgesetz die „Zustimmung“, welche Art. 79, Abs. 2
fordert, von der Genehmigung der Einzellandtage abhängig zu machen. Anträge
auf Erlaß derartiger Landesgesetze wurden sowol in Bayern als in Württemberg aus
der Initiative der Kammern gestellt, scheiterten aber an dem entschiedenen Wider-
spruch der Regierungen, welche Landesgesetze des oben bezeichneten Inhaltes als
reichsverfassungswidrig erklärten. Die Schriftsteller sind theilweise der nämlichen An-
sicht (Hänel, Seydel, Thudichum), theilweise dagegen halten sie, wie bemertt,
vorhandensein von solchen Gesetzen die unbeschränkte Instruktionsbefugniß des Landes-
herrn auch für Zustimmungserklärungen zur Aufgabe von R. für positives Reichsrecht.
Geht man jedoch von dem Wortlaut des Art. 79, Abs. 2 der RVerf.: „Zu-
stimmung des berechtigten Bundesstaates“ aus und erwägt hierzu, daß die Er-
theilung der Instruktion an die Bundesrathsbevollmächtigten vom Reichsrechte gar
nicht berücksichtigt, somit vollständig dem Landesrecht verblieben ist, so wird man
zu dem Resultate kommen müssen: 1) Landesgesetze, welche die Instruktionsertheilung
an die Bundesrathsbevollmächtigten irgendwie, insbesondere also etwa für den Fall.
der Aufgabe von R., von einer Mitwirkung der Volksvertretung abhängig machen
würden, können jedenfalls nach Reichsrecht nicht für unzulässig erklärt werden;
2) da solche Landesgesetze zur Zeit nirgends existiren, ist für die Interpretation des
Art. 79, Abs. 2 zu beachten, ob das im konkreten Falle in Frage stehende R. nach
Landesrecht der Sphäre der Gesetzgebung angehört oder nicht (Laband, Meyer,
Mohl, Zorn)g; ist ersteres der Fall, wie beispielsweise bei dem Bayer. R. der eigenen
Heimaths= ebenso der eigenen Bierbesteuerungsgesetzgebung (RVerf. Art. 4, Z. 1,
Art. 35, Abs. 2), so bedarf es, damit „der berechtigte Bundesstaat“ mit Rechtskraft
im Bundesrath die „Zustimmung“ zu einer Abänderung erklären könne, unbedingt
der vorhergehenden Genehmigung der Volksvertretung; ohne diese Genehmigung kann
in solchem Falle eine rechtsgültige Instruktion gar nicht ertheilt werden. Daraus
würde sich die weitere Konsequenz ergeben: die Erklärung der „Zustimmung“ ohne
erholte Genehmigung der Volksvertretung ist nichtig. Um aber die Eventualität
einer derartigen Nichtigkeit seines Beschlusses zu vermeiden, müßte dem Bundesrath
die Pflicht obliegen, die Instruktion in diesem Falle auf ihre Rechtsgültigkeit zu
prüfen, was thatsächlich keine Schwierigkeiten bieten würde, aber eine Abweichung
von der Regel enthält, daß der Bundesrath die Instruktion seiner Mitglieder nicht
zu prüfen habe. Soweit aber die Sphäre der Gesetzgebung nicht in Frage steht,
kann der Landesherr seine Bevollmächtigten zum Bundesrath frei instruiren, auch
im Sinne von Art. 79, Abs. 2, was beispielsweise hinsichtlich eines Theiles der
militärischen R. von praktischer Bedeutung ist. Daß die Instruktion in den kon-
stitutionell verfaßten Einzelstaaten auch hier der Kontrasignatur eines Ministers be-
darf und daß hierdurch die damit nach Landesstaatsrecht begründeten Rechtsfolgen
eintreten, ist nicht zu bezweifeln.
Lit.: Laband, Staatsrecht, 1. § 11, 12: Derselbe in Hirth's Annalen 1874
S. 1487 ff. — E. Löning, ebenda is, S. 31 ff. — Hänel, Studien, I. 88 12—14.—
Meyer, Lehrbuch, § 164. — v. Martitz in Zeitschr. für Staatswissenschaft XXXII.
S. 569 ff. Wwuch Kommentar, 266 ff. — Riedel, Kommentar, 164. — v. Held, Reichs-
verfassung, 155 ff. — L. A. Müller in Hirth's Annalen 1876 S. 846 ff. — v. Pözl,
Badeer. Verfassungsrecht, § 227. — v. Rönne, Staatsrecht, II. § 65. — Thudichum in
Holtzendorff's Jahrbuch I. 48. — Hauser, Leeichtverfoffung. 8 15. — Westen-
163 Studien, 81. — v. Mohl, Reichsstaatsrecht, S. 64 ff. — Zorn, Staaterccht, 7
orn