Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

476 Richter — Richterlicher Eid. 
Lit.: Savigny, III. 632—635. — de Wal, Beitr., 11. — Rozièère in R. Bibl. de 
droit, I. 118—115. — Gersdorf's Rep. 1853, 1. 9 ff. — Schulte, Geschichte, I. 188— 
185, 256. — Rivier, Introd. historique 1881, p. 571. — Bethmann-Hollweg, VI. 
105—109. Teichmann. 
Richter, Aemilius Ludwig, 5 15. II. 1808 zu Stolpen (Sachsen), wurde 
Advokat und Dozent, erhielt 1885 von Göttingen die Doktorwürde verliehen, 1836 
außerordentl. Professor, 1838 ordentl. Professor in Marburg, 1846 in Berlin, Mit- 
glied des Oberkirchenraths, 1859 Geh. OReg.Rath, 8. V. 1864. 
Schriften: Ausg. d. Corp. jur. can., Lips. 1833—39. — Beitr. z. Kenntniß d. Quellen 
des Kan. Rechts, Leipz. 1834. — De emend. Gratiani, Lips. 1835. — De inedita Decret. 
coll. Lips., Lips. 1836. — Canones et decreta concili Tridentini, Lips. 1839; assumto socio 
Schulte, Lips. 1853. — Lehrb. d. kath. u. evang. Kirchenrechts, Leipz. 1842, 8. Aufl. 1877 ff. 
besorgt von Dove. — De tripl. damn. Formosi episc. Portuensis, 1843. — Antiqua canonum 
collectio . .., Marb. Catt. 1844. — Die evang. Kirchenordnungen des 16. Jahrh., Weimar 
1846. — Der Staat und die Deutschkatholiken, Leipz. 1846. — Vortr. über Berufung der 
evang. Landessynode, Berl. 1848. — Gutachten, die Verf. der evang. Kirche in Preußen betr., 
Leipz. 1849. — Geschichte der evang. Kirchenverfassung in Deutschland, Leipz. 1851. — Beitr. 
zur Geschichte des Ehescheidungsrechts in der evang. Kirche, Berl. 1858. — Fr. Wilh. IV. 
und die Verf. der evang. Kirche, Berl. 1861. — Beitr. zum Preuß. Kirchenrecht, herausgeg. 
von Hinschius, Leipz. 1865. — Er begründete 1837 die „Kritischen Jahrbücher“. 
Lit.: Hinschius, Zur Erinnerung an A. L. R., Weimar 1865. — Dove, Zeitschr., I. 
138; V. 259—280; VII. 273—404. — Neue evang. Kirchenztg. Nr. 5—7. — Preuß. Jahrb. 
XI. 339 ff. — Schulte, Gesch., III. b S. 210—225. 
Richterlicher Eid. R. E. oder Notheid (juramentum necessarium der 
Späteren, weil von der Initiative der Parteien unabhängig, während die Römer 
unter juramentum necessarium jeden im Prozeß vorkommenden Eid wegen der Noth- 
wendigkeit sich auf ihn einzulassen verstanden) ist diejenige Anwendung des Eides 
(s. diesen Art.) als Beweismittel, wodurch der Richter ex okticio die Herstellung 
der Wahrheit oder Unwahrheit einer zu beweisenden Thatsache von der Eidesleistung 
der einen oder anderen Partei abhängig macht. Der r. E. ist Beweismittel, trotz- 
dem ihn der Richter ex officio in den Prozeß einführt (anderer Meinung: Heus- 
ler, Archiv f. d. civ. Prx. LXII. S. 299); nicht als ob er ihn nicht als Beweis- 
mittel einführte (Wach, Vorträge, S. 176), sondern weil der Begriff des Beweis- 
mittels von der Verhandlungsmaxime unabhängig ist (Wendt, Archiv f. d. civ. 
Prx. LXIII. S. 261 ff., vgl. S. 277). Die Voraussetzung des r. E. war im Gem. 
Prozeß stets eine voraufgehende Beweisthätigkeit der Parteien, die zu einem vollen 
Beweisresultate nicht geführt hatte (inopia probationum). Der unter dieser Vor- 
aussetzung zur Vermeidung eines non liquet vom Richter über die zu beweifende 
Thatsache selbst aufzuerlegende Eid wurde dann von der gesetzlichen Beweistheorie 
des Gem. Prozesses erfaßt, so hinsichtlich der Frage, welcher Partei er aufzuerlegen 
sei, wie hinsichtlich der Wirkung der Eidesleistung und resp. -Nichtleistung. In 
ersterer Beziehung insbesondere war dem Richter (nach Wegfall der Unterscheidung 
der Glosse zwischen causae arduae und minores; vgl. über das Geschichtliche Wetzell) 
vorgeschrieben, die — wenigstens theilweise ebenfalls nach Beweisregeln zu be- 
messende — Stärke des erbrachten Beweises so entscheiden zu lassen, daß er den Eid 
bei weniger denn halbem Beweis dem Probaten zur Herstellung der Unwahrheit, bei 
mehr denn halbem dem Probanten zur Herstellung der Wahrheit, sei es in Gestalt 
eines j. veritatis oder eines j. credulitatis (nicht auch eines j. ignorantiae: Re- 
naud, Acchiv f. d. civ. Prr. XLIII. S. 178, 209) auferlegen mußte, während beie 
gerade halbem Beweis die größere subjektive Glaubwürdigkeit und das bessere Wissen 
der einen oder anderen Partei entscheiden und nur ceteris paribus Probant näher 
zum Eid sein sollte. Da nun der dem Probanten gegebene Eid für diesen ein 
Mittel zur Ergänzung des ihm im Interlokut auferlegten, von ihm unvollständig 
geführten Beweises, der dem Probaten gegebene Eid für diesen ein Mittel zur Hin- 
wegräumung dieses gegen ihn geführten Beweises war, so unterschied der Gem. Prozeß 
Teichmann.
	        
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