Sachverständige. 517
sondern insbesondere Ausdruck gefunden hat für Begutachtungen im engeren Sinne
in § 377 des Gesetzes (§ 402 Oesterr. Entw.), für Schätzungen in §§ 3 und 260
daselbst (§§ 17, 298, 411 Oesterr. Entw.).
Lit.: Vgl. die umfassenden Literaturangaben bei Walther, Arch. f. d. civ. Prax. XXVI.
S. 104—109 (bis 1841); bei Wetzell, System, 1 44 N. 10; bei Renaud, Lehrb., § 113
N. . — Hervorzuheben sind: Gönner, Handbuch, II. Abh. 44 und 45. — Mitter-
maier, Arch. f. d. civ. Prax. II. S. 119 ff. — C. F. H. Diedrichs, Diss. de indole
robationis per artis peritos, 1838. — Walther, l. c. — Strippelmann, Die S. im
Koilprozesfe — Hinzuzufügen sind: Heusler, Arch. f. d. civ. Prax. LXII. S. 261 ff. —
Wendt, ebenda IXIII. S. 265 ff. — Obermeyer, Lehre von den S. im Civilprozeß,
1880. Birkmeyer.
—PÖCE
Sachverständige (strafpr.). I. Sachverständige (Kunstverständige, ex-
pertes) sind Personen, welche durch ihre Ausbildung für einen bestimmten Beruf und
durch die bei Ausübung desselben gesammelten Erfahrungen die Befähigung erlangen,
dem Gerichte die Auskunft zu ertheilen, ohne welche gewisse Thatsachen, weil zu
deren Beobachtung und Beurtheilung die allgemeine Befähigung nicht ausreicht, mit
Beruhigung nicht festgestellt werden können. Die Entwickelung des Beweisrechtes
in der Richtung der freien Beweiswürdigung hat auch in Bezug auf die Stellung
der S. namentlich im Strafprozeß eine wesentliche Aenderung und Klärung mit sich
gebracht. Der Zug des älteren Beweisrechtes ging dahin, möglichst objektive Er-
probungen der Thatsachen zu erzielen und dem Richter die Bestandtheile seines Ur-
theiles, wie bereits behauene Quadersteine, fertig zu liefern, so daß er sie nur ein-
zufügen hatte. Daraus entwickelte sich zunächst die Tendenz, möglichst viele Fragen
S. zuzuweisen, und nicht gerade genau zu untersuchen, ob es sich denn überhaupt
um einen Gegenstand handelt, zu dessen Beobachtung und Beurtheilung eine beson-
dere Berufsbildung erforderlich ist und ob gerade in die Berufssphäre dieser be-
stimmten S. die Fragen fallen, auf deren Lösung es ankommt. Man ist z. B. noch
heute nicht abgeneigt, etwa den Büchsenmacher darüber zu befragen, ob ein be-
stimmter Zustand einer durchlöcherten Glasscheibe auf einen Schuß und ob er auf
einen aus der Nähe oder aus der Ferne abgefeuerten schließen lasse. In einem vor
einigen Jahren verhandelten Fall, der Europäisches Aufsehen erregte, hing die Ent-
scheidung wesentlich davon ab, ob und wie ein menschlicher Körper über eine Fläche
von einer bestimmten Neigung hinabrollen könne, und man war sehr versucht,
dies ärztlicher Beurtheilung anheimzustellen. Es kommt vor, daß man es
als Gegenstand ärztlicher Beurtheilung ansieht, ob Jemand einem bestimmten
Angriff oder Sturz gegenüber die Hände eher abwehrend vor sich hinstrecken oder
schützend über sich breiten werde. Vermeiden läßt es sich ohnehin nicht, daß S. den
ihnen mit Recht abgeforderten Ausspruch schließlich auf solche Thatmerkmale stützen,
die Jedermann beobachten und beurtheilen kann. Es wird es den Aerzten Niemand
verargen können, wenn sie z. B. erklären, durch den Umstand, daß nach Lage der
Verhältnisse das Werkzeug, womit eine bestimmte Art der Tödtung allein zu be-
werkstelligen ist, nicht vorhanden sein konnte, zur Ausschließung dieser Tödtungsart
bestimmt zu sein. Allein es folgt daraus allein schon, daß jene objektive Beweis-
kraft, welche einst dem Spruch der S. vindizirt wurde, demselben nicht innewohnen
könne, daß er für sich allein den Richter nicht beruhigen dürfe und daß dieser die
Verpflichtung habe, sehr genau zu prüfen, ob derselbe auf Grundlagen ruhe, über
die er sich eine selbständige Meinung nur auf die Gefahr hin bilden kann, daß er
als der schlechter Unterrichtete sich über den besser Unterrichteten stellt. Es ist daher
der Spruch der S. immer nur eine Auskunft, auf Grund welcher der Richter die
Thatsache festzustellen hat, und eben darum der Herrschaft der freien richterlichen
Würdigung nicht entrückt. Damit ist auch eine zweite in früherer Zeit, namentlich
auf dem Boden des Gemeinen Deutschen Inquisitionsprozesses, hervorgetretene Ten-
denz zurückgedrängt, die dahin ging, die S. nicht als Auskunftspersonen, sondern
als einen Theil des Gerichtes („Gehülfen des Richters“, als welche sie übrigens