Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Sachverständige. 519 
er vom S. auch die Darlegung der allgemeinen Gesetze entgegennehmen und kann 
daher nur die Anwendbarkeit derselben auf die konkreten Thatsachen prüfen. 
Was der S. dem Gericht bietet, ist also ein zweifaches: 1) Die Darstellung 
der von ihm gemachten Wahrnehmungen (mit Einschluß der zu diesem Zwecke an- 
gestellten Untersuchungen und Versuche), der Befund, Sachbefund, Sichtbefund, 
visum repertum, rapport; 2) die Darlegung und Begründung der von ihm aus 
diesen Wahrnehmungen gezogenen, für den Straffall erheblichen Folgerungen, das 
Gutachten, Kunsturtheil (parere, avis). Nun sind aber diese beiden Auf- 
gaben in sich sehr verschieden und lassen eine sehr verschiedene prozessualische Ge- 
staltung zu: Der Befund gestattet in der Regel keinen Aufschub, ist auch oft von 
örtlichen Verhältnissen abhängig, so daß die Auswahl der S., welche ihn aufnehmen 
sollen, oft eine sehr beengte ist. Dagegen gestattet er sofortige Fixrirung des Wahr- 
genommenen durch Niederschrift, Zeichnung oder sonstige Nachbildung und ist diese 
ungesäumte Fixirung so wesentlich, daß ihre Unterlassung durch ganz besondere Ver- 
hältnisse gerechtfertigt werden müßte, um ohne solche einen Befund noch entgegen- 
nehmen zu dürfen. Dazu kommt auch noch, daß der Vorgang der S. bei Auf- 
nahme des Befundes unter gerichtlicher Leitung und Beurkundung steht, obgleich 
diese nicht immer eine konstante sein kann (Deutsche StrafP O. § 78; Oesterr. 
§ 122). Alles dies bewirkt, daß der Befund von der allgemeinen Regel bezüglich 
des Vorzuges der Mündlichkeit eine Ausnahme macht, daß nämlich hier die Nieder- 
schrift werthvoller ist, als der spätere mündliche Bericht, und eben darum, wenn 
jene bedenklich geworden ist, eine Erneuerung des Befundes mehr Aufklärung ver- 
spricht, als eine erneute Vernehmung der S. über denselben. — Dagegen stützt sich 
das Gutachten auf den Befund; es kann aber in anderweitigen Materialien des 
Strafprozesses noch weitere Grundlagen finden, eben darum durch die späteren Ergeb- 
nisse des Prozesses modifizirt und als endgültig erst nach völliger Aufklärung des 
Sachverhaltes, also am Schluß des Verfahrens, angesehen werden. Das Gutachten 
ist aber auch unabhängig von der Person, welche den Befund beurkundet hat, und 
meistens in höherem Grade als dieser abhängig von der technischen Tüchtigkeit des- 
jenigen, der es abgegeben hat. Was die äußere Form der Erstattung derselben be- 
trifft, so wird hier im Allgemeinen die mündliche Darlegung durch die Natur der 
Sache nicht gehindert, und sie wird sehr häufig die richtige Auffassung der Ansicht 
der S. und ihrer Begründung, die Beseitigung von Zweifeln und Mißverständnissen 
wesentlich fördern. Nicht immer werden übrigens im Strafprozeß Befund und 
Gutachten figuriren; es kann vorkommen, daß der Befund genügt, zumal wenn es 
sich um die sachkundige Fixirung von Thatsachen handelt, deren Beurtheilung keine 
Fachkenntnisse fordert (Aufnahme von Plänen, Messungen u. dgl.); es kann aber 
auch die Möglichkeit der Aufnahme des Befundes fehlen und dann müssen die 
Grundlagen des Gutachtens durch Zeugenaussagen (natürlich, womöglich, durch 
sachverständige Zeugen, d. i. Personen, welche zwar sachkundig sind, aber ihre 
Wahrnehmungen zu einer Zeit und unter Umständen machten, wo sie nicht als S. 
fungirten — vgl. § 85 der Deutschen Straf P O.) beschafft werden. Alle diese Ver- 
hältnisse üben wesentlichen Einfluß auf die prozessualische Gestaltung. 
II. Die Bestimmung der S. hängt von ganz anderen Gesichtspunkten ab, 
als die der Zeugen. Schon die Vorfragen, ob S. beizuziehen seien, welcher Art sie 
sein sollen und in welcher Zahl erforderlich, können in gleicher Weise bei Zeugen 
nicht auftauchen. Nach § 73 der Deutschen StrafP O. erfolgt „die Auswahl der 
S. und die Bestimmung ihrer Anzahl durch den Richter“. Der Satz ist aber eigent- 
lich nur für die Voruntersuchung richtig. Bezüglich des Vorbereitungsverfahrens 
läßt § 160 der Straf P O. die Auslegung zu, die ihm Löwe (bei diesem Paragraph 
und bei § 73 N. Za) und Geyer (v. Holtzendorff's Handb., I. S. 240) geben, 
daß nämlich der Staatsanwalt, der die Vornahme der „Untersuchungshandlung“ 
beantragt, auch die S. namhaft macht und daß der Amtsrichter sich an diesen An-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.