Sachverständige. 521
§ V7 der noch gültigen Vorschrift über die Vornahme der gerichtlichen Todtenbeschau
(vom 28. Januar 1855) heißt es, er sei, „der Unparteilichkeit des Urtheils wegen,
wo es nur immer möglich ist, als beschauender Arzt nicht zu verwenden“.
IV. Die Verpflichtung, sich als S. verwenden zu lassen, ist sowol in der
Deutschen als Oesterreichischen StrafP O. ausdrücklich statuirt (§ 75 der Deutschen
Strafp O., § 119 der Oesterr. StrafP O.). Erstere schränkt die Pflicht auf die
Fälle ein, wenn der Ernannte „zu Erstattung von Gutachten der erforderten Art
öffentlich bestellt ist oder die Wissenschaft u. s. w. öffentlich zum Erwerbe ausübt,
oder zur Ausübung derselben öffentlich bestellt oder ermächtigt ist, oder sich zur
Erstattung des Gutachtens“ „vor Gericht bereit erklärt“ hat. Nach § 76 der
Deutschen StrafPP O. berechtigen dieselben Gründe zur Verweigerung des Gutachtens,
wie zur Verweigerung des Zeugnisses. (Nach der Oesterr. StrafP O. wird in allen
Fällen, wo dies praktisch werden kann, der S. ausgeschlossen sein.) Auch „aus
anderen Gründen kann ein S. von der Verpflichtung zur Erstattung des Gutachtens
entbunden werden“. Das ist von besonderer Wichtigkeit angesichts der in der
Deutschen StrafP O. (§§ 213 und 218) begründeten unbeschränkten Befugniß des
Staatsanwaltes und des Angeklagten, S. — auch nach Ablehnung des Antrages durch
das Gericht — zur Hauptverhandlunng unmittelbar zu laden. — Für den Fall des
Nichterscheinens oder der Weigerung des S. droht § 77 der Deutschen StrafP O.
nebst Anhaltung zum Kostenersatz Geldstrafe bis zu 300 Mark, und im Falle
wiederholten Ungehorsams „noch einmal“ bis zu 600 Mark an. Die Oesterr.
StrafP O. unterscheidet zwischen der Verweigerung der Mitwirkung bei der Vor-
nahme des Augenscheins im Vorverfahren, wofür eine Geldstrafe von fünf bis hun-
dert Gulden verhängt werden kann (§ 119 Abs. 2), und dem Ausbleiben der (auf
Anordnung oder mit Genehmigung des Gerichtes) zur Hauptverhandlung geladenen
S. (§§ 242 243), welche auch vorgeführt werden können und in die Kosten der
Vertagung der Hauptverhandlung und zu einer Geldstrafe von fünf bis fünfzig Gulden
zu verurtheilen sind. (Ueber die Gründe der Verschiedenheit s. Mayer, Handbuch
des Oesterr. Strafprozesses, I. S. 519, 520.)
V. Die prozessualische Verwendung der S. ist eine, nach Verschieden-
heit der ihnen gestellten Aufgabe verschiedene. Die umfassendste Verwendung tritt
dann ein, wenn dieselben S., welche den Sachbefund aufnehmen und abgeben (was
in der Regel schon im Vorverfahren geschieht) auch zur Abgabe des Gutachtens in
der Hauptverhandlung berufen werden; eine weitere Modifikation tritt dann ein,
wenn die Aufnahme des Sachbefundes nicht, wie die Regel ist, unter unmittelbarer
Leitung des Gerichtes, als eine Form der Einnahme richterlichen Augenscheines, sondern
wie bei längeren, z. B. chemischen Untersuchungen 2c., bei der Körperbesichtigung von
Frauenzimmern u. dgl., in Abwesenheit des Richters erfolgt. In jedem Falle müssen
die S. die Gewähr für die Beweiskraft ihrer Angaben durch den Eid bieten. Die
regelmäßig wiederkehrende Verwendung derselben S. bringt es mit sich, daß eine
Beeidigung ein für allemal in der Weise für ausreichend erklärt wird, daß die An-
gaben im einzelnen Falle auf den bereits abgelegten Eid genommen werden (Deutsche
StrafP O. § 79, Abs. 2; Oesterr. StrafP O. § 121, Abs. 1). Nach der Oesterr.
StrafP O. (das. Abs. 2) haben in anderen Fällen die S. „vor der Vornahme des
Augenscheines“ sich eidlich zu verpflichten, „daß sie den Gegenstand desselben sorg-
fältig untersuchen, die gemachten Wahrnehmungen treu und vollständig angeben und
den Befund sowie ihr Gutachten nach bestem Wissen und Gewissen und nach den
Regeln ihrer Wissenschaft oder Kunst abgeben wollen“. In der Hauptverhandlung
werden sie (sofern sie den Eid nicht bereits abgelegt haben) vor ihrer Vernehmung
in Eid genommen (§ 247, Abs. 2), eine Ausnahme tritt nur bei den kraft der dis-
kretionären Befugniß des Vorsitzenden berufenen S. ein, über deren Beeidigung das
Gericht nach der Vernehmung Beschluß faßt (§ 254). — Nach § 79 der Deutschen
Straf PO. hat der S. „vor Erstattung des Gutachtens einen Eid dahin zu leisten,