522 Sachverständige.
daß er das von ihm erforderte Gutachten unparteiisch und nach bestem Wissen und
Gewissen erstatten werde“. Es muß wol angenommen werden, daß das Wort
„Gutachten“ hier, wie an anderen Stellen, im weiteren, auch den Sachbefund um-
fassenden Sinne genommen wurde. Der Eid umfaßt daher auch schon die Nr Ab-
gabe des Befundes zu Grunde liegende Untersuchung und sollte dieser vorangehen.
Allein dem Wortlaut des § 79 der Straf O. steht die Bestimmung des § 65 ge-
genüber, nach welchem die Beeidigung der Zeugen in der Regel erst in der Haupt-
verhandlung erfolgt, und nur unter genau bezeichneten Bedingungen in der Vor-
untersuchung (niemals aber im Vorbereitungsverfahren) stattzufinden hat. Ob diese
Bestimmung vermöge § 72 auch auf S. Anwendung finde, darüber ließen sich unter
Hinweis auf die „abweichende Bestimmung“ des § 79 Zweifel erregen. Da indeß
aus den anderweitigen Bestimmungen der StrafP O. hervorgeht, daß in der Haupt-
verhandlung der Befund, ebensowenig als das Gutachten abgelesen werden darf
(§ 249 der Deutschen StrasfPO.; nach der Oesterr. Straft O. § 252 ist die
„Befundaufnahme“ im Gegensatz zum mündlich zu erstattenden Gutachten vorzulesen),
daß die S. auch über ersteren daselbst mündlich zu berichten haben (eine Ausnahme
macht § 255 der StrafPO. für „ärztliche Atteste über Körperverletzungen“) und in
der Hauptverhandlung selbst dann zu beeiden sind, wenn sie in der Voruntersuchung
beeidet wurden: so verliert der in der Voruntersuchung abgegebene Befund jene ent-
scheidende Bedeutung, welche es wünschenswerth machen müßte, daß er nur unter
Eid abgelegt wird. Daß in der Hauptverhandlung der Eid der Vernehmung stets
voranzugehen habe, scheint nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte der maßgebenden
Texte unbestreitbar (Voitus, Kontroversen, I. 118 ff.).
Was nun die sachliche Thätigkeit der S. betrifft, so steht sie, so weit nöthig,
unter der Leitung des Richters (Deutsche StrasP O. §78; Oesterr. StrasP O. § 123);
dies bewirkt die Natur der Aussage des S. als eines Beweismittels und die Regel:
Judici fit probatio; eben darin aber findet die Leitung auch ihre Grenze. Der
Richter muß den S. klar machen, worauf es ihm ankomme, was er erfahren wolle,
und er hat dafür zu sorgen, daß bei dem Vorgang, den die S. einschlagen, um ihm
die gewünschte Auskunft zu verschaffen, Alles beobachtet werde, was die Beweiskraft
der zu gewärtigenden Aussage sichert (z. B. Feststellung der Identität der zu unter-
suchenden Gegenstände); allein er ist nicht berufen, auf die technischen Methoden,
deren sich die S. bedienen, einen Einfluß zu üben, ausgenommen, soweit es sich um
die Geltendmachung ausdrücklicher Vorschriften handelt, wie sie für einzelne Unter-
suchungsfälle, theils in den StrafP O., theils in Spezialnormen gegeben sind.
Andererseits muß er dafür sorgen, daß den S. dasjenige zugänglich gemacht wird,
dessen sie bedürfen, um ihr Gutachten darauf zu stützen; dazu gehört die Mittheilung
der Akten im Vorverfahren, die Anwesenheit bei der Vernehmung von Zeugen
und Beschuldigten, namentlich auch in der Hauptverhandlung (Deutsche StrafP O.
§ 80; Oesterr. Straf# O. §§ 123, 241 Abs. 2). Nach der Oesterr. Straf P O.
( 248) soll in der Hauptverhandlung „ein noch nicht vernommener S. bei der
Vernehmung anderer S. über denselben Gegenstand“ nicht zugegen sein; die
Deutsche Straf O. macht zwar von der bezüglich der Zeugen im § 58 der Straf-
PO. ertheilten gleichen Vorschrift bezüglich der S. keine Ausnahme; allein die
Materialien des Gesetzes lassen den Auslegern (v. Schwarze, Geyer, Löwe,)
keinen Zweifel darüber, es sei selbstverständlich, daß für die Vernehmung der S. die
entgegengesetzte Regel gelte. Der dafür geltend gemachte sachliche Grund reicht aber
nur aus, um es als zulässig zu erklären, daß nach der abgesonderten Vernehmung
der S. (die bei Ungleichheit der Lebensstellung u. s. w. doch nicht ohne Nutzen ist)
auch nöthigenfalls eine gleichzeitige Vernehmung, ein Austausch von Erklä-
rungen vor Gericht stattfinde. — Von großer Wichtigkeit ist die Macht und Auf-
gabe des Richters angesichts von Aussagen der S., die ihm Bedenken erregen. Die
Oesterr. Strafp# O. (§88 124 und 125) unterscheidet zwischen Bedenken gegen den