Schiedseid. 547
neue Institut aber vermieden, um nicht mit dem Ausdruck die zahllosen gemein—
rechtlichen Kontroversen in dieser Materie (insbesondere: ob die Gewissensvertretung
Gegenbeweis sei? ob Gegenbeweis gegen sie zulässig? ob bei mißlungener Gewissens—
vertretung Delat noch Annahme und Relation oder nur die erstere zur Verfügung
habe? wie es bei unvollständig gelungener Gewissensvertretung zu halten sei? u. f. w.)
ins Reichsrecht herüberzunehmen (Mot. S. 506). — Als Beweiemittel kann der
S. nur über Thatsachen, im Gegensatz zu Urtheilen, Rechtsbegriffen, Rechten, zu-
geschoben werden, mögen es im Uebrigen sog. innere oder äußere Thatsachen sein;
aber auch nur solche Thatsachen können durch Eid bewiesen werden, bezüglich deren
man annehmen kann, daß der Schwurpflichtige über sie in überzeugender Weise
zu deponiren im Stande sei: daher die Beschränkung der Delation und Relation
auf facta propria des Gegners und auf facta aliena lediglich seiner Rechtsvorgänger
und Vertreter in der Deutschen CPO. 88 410, 413; und die Verwerfung der,
innerer Beweiskraft ermangelnden, Kredulitäts= und Ignoranzeide (Deutsche CPO.
§ 424; vgl. den Art. Eid). Partikularrechtlich war das Eidesthema auch sonst
noch vielfach beschränkt (vgl. insbesondere Strippelmann, S. 103 ff.), während
die Deutsche CPO. von diesen Beschränkungen, abgesehen von der selbstverständ-
lichen Bestimmung des § 411, nur den Ausschluß der Eideszuschiebung in Ehe-
und Entmündigungsfsachen (§§ 577, 611, 620, 624, 626) adoptirt hat. — Deferiren
können nur die Parteien, resp. die gesetzlichen Vertreter nicht prozeßfähiger Parteien,
welche übrigens nach der Deutschen CPO. selbst als Partei gelten. Deferirt werden
konnte nach einer weit verbreiteten gemeinrechtlichen Praxis, die sich fälschlich auf
1. 1 § 2 D. 44, 5; 1. 2 § 2 C. 2, 59 und 1. 5 C. 4, 1 stützte, unter Umständen
auch dritten Personen, welche mit dem Gegner in einem „juristischen Einheitsver-
hältniß“ stünden, insbesondere Cedenten, Mandataren und Vormündern (Strippel-
mann, S. 204 ff.), während die Deutsche CPO. in § 414 die Regel aufstellt,
daß der Eid nur an die (prozeßfähige) Partei selbst, nicht an Dritte, zugeschoben
werden könne, wovon die Möglichkeit bzw. Nothwendigkeit der Delation an die
gesetzlichen Vertreter (§ 435 Abs. 1; Modifikation im Abs. 2) nach dem vorhin
Bemerkten keine Ausnahme bildet. — Die Stellung des Richters zur Eidesdelation,
welche bei Auffassung der letzteren als Dispositionsaktes nothwendig eine mehr oder
weniger vom Parteiwillen abhängige sein muß, ist, je mehr der S. sich zum reinen
Beweismittel entwickelte, eine immer selbständigere und unabhängigere geworden.
Unterscheidet sich hierdurch schon das Gem. R. dem Römischen gegenüber (Savigny,
S. 85), so ist, was die Deutsche CPO. anlangt, die Art, wie in ihr „die richter-
liche Prozeßleitung bei der Anordnung des Eides zur Geltung kommt“, mit „das
wichtigste Stück der Reform unserer Eidesdelation“ (Wach, S. 172). Im officium
judicis liegt es über die Zulässigkeit der Delation wie der Relation nach Maßgabe
der §§ 410, 411, 413, 414, 417 Abs. 2, 435 zu wachen; dem Richter gebührt
die Bestimmung der Fassung des Eides (vgl. hierher übrigens schon 1. 38 § 8 D.
12, 2 verbis: officio judicis Cconceptio jurisjurandi terminetur) einschließlich der Nor-
mirung als Wahrheits= oder Ueberzeugungseid (§§ 427, 324 3. 4); vom arbitrium
judicis hängt es innerhalb gewisser Grenzen ab, ob er die Leistung des Eides durch
bedingtes Urtheil oder durch Beweisbeschluß anordnen will (§8 425, 426, aber
auch 558 Abs. 4). Der Disposition der Parteien ist zwar, soweit sie nur die
Beweismittelnatur des S. nicht ganz negirt (§ 415 i. f.), in allen diesen Punkten
Raum, aber keine den Richter bindende Kraft gewährt (§§ 415, 426 Absf. 1, 431).—
Endlich ist die von der Italienischen Doktrin aufsgestellte, von der gemeinrechtlichen
Praxis anerkannte (Wetzell, § 25 zu N. 31a; Strippelmann, S. 389 zu
Nr. 19) und in vielen Partikularrechten sanktionirte (Renaud, S. 371 N. 25 ff.)
Regel, daß der Eid als geleistet zu betrachten sei, wenn der Schwurpflichtige vor der
Ableistung stirbt, ohne die Annahme widerrufen zu haben („mortem loco jurisjurandi
esse“, motivirt durch den Satz „Nemo moriens immemor censetur aeternae salutis“
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