Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Schiedsmuͤnner. 549 
gesucht hat. Die günstigen Erfahrungen, welche mit dieser Vorschrift in Preußen 
gemacht worden waren, fanden ihre Verwerthung für das Reich, indem durch § 420 
der StrafPP O. bestimmt wurde, daß wegen Beleidigungen (abgesehen von dem Falle 
des § 196 des Rötrafs GB.) die Erhebung einer Klage erst zulässig sein soll, wenn die 
Sühne erfolglos versucht worden ist. Die Behörden, welche berufen sind, eine solche 
Sühne herbeizuführen, werden von der Landesjustizverwaltung bestimmt. In Preußen 
wurde das Vergleichsamt den S. übertragen, indem dieses Institut durch Ges. vom 
29. März 1879 unter Beibehaltung der früher bewährten Grundsätze auf die ganze 
Monarchie nach erfolgter Neuregelung übertragen wurde. Dieselbe S.ordnung gilt 
in Waldeck (Ges. vom 29. März 1879). Dem gleichen Vorbild schloß sich eine 
Reihe anderer Staaten an (Weimar, Meiningen, Altenburg, Koburg-Gotha, 
Lippe-Detmold, Schwarzburg-Sondershausen, Reuß j. L.), während in noch anderen 
dem Amtsrichter das Sühneamt auch auf diesem Gebiet übertragen wurde (beide 
Mecklenburg, Lübeck, Hamburg-Stadt). Meistentheils ist der Gemeindevorsteher 
als Vergleichsbehörde berufen (Bayern, Württemberg, Baden, Oldenburg, Hessen, 
Schwarzburg-Rudolstadt, Hamburg-Land, Elsaß-Lothringen), anderwärts ferner sind 
besondere Sühnebeamte eingeführt worden (der Rektor oder Universitätsrichter für 
die Studirenden in Preußen [Verf. vom 22. August 1879 — Just. Min.Bl. 
S. 251 —I, und allgemein oft mit der Bezeichnung als Friedensrichter in Sachsen, 
Weimar, Anhalt, Reuß j. L., Bremen), endlich bald die Polizeibeamten, bald die 
Magistrate dazu ausersehen (Braunschweig). 
Im Ceivilverfahren hatte sich die Vorschrift des Kanon. Prozesses, vor der 
Litiskontestation ((. diesen Art.) einen Vergleich unter den Parteien anzubahnen, 
mit der Einführung des schriftlichen Prozesses und dem Anwaltszwang allmählich 
verloren. Stehen geblieben war nur partikularrechtlich die Vorschrift, daß in Ehe- 
sachen die Anstellung der Klage von einem Sühneversuch bedingt war, der häufig 
unter Zuziehung von Geistlichen stattfinden mußte (Preuß. Verordn. vom 28. Juni. 
1844 §§ 10—15; Hannov. Ges. vom 1. März 1869 §8 10—13; Code civ. art. 
238, 239). Der gleiche Grundsatz ist von der CPO. beibehalten, die Zuziehung 
von Geistlichen aber nur noch fakultativ (uvgl. Preuß. Verf. vom 27. August 1879 
— Just. Min. Bl. S. 260 —). Danach muß der Kläger vor Anstellung der Klage 
bei dem für den Beklagten nach dessen Wohnsitz zuständigen Amtsgericht die An- 
beraumung eines Sühnetermins beantragen und zu diesem den Beklagten laden. 
Die Parteien müssen persönlich erscheinen, und der Richter kann Beistände zurück- 
weisen. Der Sühneversuch kann nach Ermessen des Vorsitzenden des Landgerichts 
auf einseitiges Gehör des Klägers unterbleiben, wenn der Aufenthalt des Beklagten 
unbekannt oder im Auslande ist, oder sich ein sonstiges schwer zu beseitigendes 
Hinderniß entgegenstellt, oder die Erfolglosigkeit des Sühneversuchs mit Bestimmt- 
heit vorherzusehen ist. Erscheint dagegen Beklagter in dem Sühnetermin nicht, so 
gilt der Sühneversuch als mißlungen, erscheint der Kläger oder beide Theile nicht, 
so verliert die Ladung ihre Wirkung. — In jedem Prozeß hat sodann das Ge- 
richt die Befugniß, beide Parteien zur Sühne zu veranlassen; es kann sie zu diesem 
Behufe persönlich vorladen oder an einen beauftragten oder ersuchten Richter ver- 
weisen. Endlich ist im Anschluß an die oben erwähnte allgemeine Bestimmung des 
Französ. Rechts jeder Partei gestattet, vor Erhebung einer Klage den Gegner zum 
Zwecke des Sühneversuchs vor das Amtsgericht, wo er seinen allgemeinen Gerichts- 
stand hat, zu laden. Selbst wenn hier ein Vergleich nicht zu Stande kommt, so kann 
doch auf übereinstimmenden Antrag beider Theile der Rechtsstreit sofort verhandelt 
werden, ein Vergleich ist protokollarisch festzustellen. Ein Zwang zum Erscheinen 
ist nicht vorhanden, doch werden die Kosten des fruchtlosen Sühneversuchs — und 
dasselbe gilt, wenn der Gegner ausbleibt — als Theil der Kosten des zukünftigen 
Rechtsstreits behandelt.
	        
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