550 Schiedsmänner.
War somit reichsgesetzlich dem Sühneverfahren ein weiter Spielraum geöffnet,
so ließ sich doch der Preuß. Gesetzgeber von einer Beibehaltung und Auedehnung
der S. auf die ganze Monarchie nicht zurückhalten, einerseits um den Amterichter
zu entlasten, andererseits weil man glaubte, daß immerhin noch ein segensreicher
Wirkungskreis für die S. übrig bleiben würde. Die Grundsätze der Preuß. S. ord-
nung, welche auch für die der anderen Staaten maßgebend geworden sind, stellen sich
folgendermaßen dar:
1. Die Thätigkeit der S. erstreckt sich auf bürgerliche Rechts streitigkeiten,
Beleidigungen und leichte Körperverletzungen.
1. Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten umfassen auch Konkurs-, Liquidations-,
Wechsel-, Arrest= und Subhastationssachen; ausgeschlossen sind Status= und Ehe-
sachen, doch ist es nicht verboten, daß sich Eheleute behufs Herbeiführung einer
Sühne der Hülfe eines S. bedienen können, welcher dann freilich nicht in seinem
Amt handelt, also ablehnen kann (§ 17). Die Zuständigkeit des S. richtet sich,
sofern keine Vereinbarung (auch stillschweigend) vorliegt, nach dem Wohnsitz des
Gegners des Antragstellers. Nach Analogie des § 41 Nr. 1 — 4 der CPO ist
auch der S. in den daselbst angegebenen Fällen (§ 15) von der Ausübung seines
Amts kraft Gesetzes ausgeschlossen dergestalt, daß der von ihm vorgenommene Akt
als solcher nichtig ist und nur höchstens als Privatabkommen der Parteien bestehen
kann. Auch soll der S. in Fällen sein Amt verweigern, wenn zur Gültigkeit der
Willenserklärung der Parteien eine gerichtliche oder notarielle Form erforderlich ist,
oder wenn sonst von seinem Eingreifen ein ersprießliches Resultat nicht erwartet
werden kann, so z. B. wenn er der Sprache der Parteien nicht mächtig ist oder
diese ihm unbekannt sind, oder wenn ihm Bedenken über die Geschäftsfähigkeit ent-
stehen. Die Parteien müssen perfönlich erscheinen, Vertreter sind unzulässig, Bei-
stände können zurückgewiesen werden. Die Verhandlung ist eine mündliche, Eide
kann der S. nicht abfordern, auch nur solche Zeugen uneidlich vernehmen, die sich
ihm freiwillig stellen. Der S. entscheidet auch nicht (dadurch unterscheidet er sich
vom Schiedsrichter), sondern schlichtet nur. Kommt ein Vergleich zu Stande, so
ist derselbe in ein Protokollbuch aufzunehmen, von den Parteien und dem S. zu
unterschreiben; Ausfertigung ist den Parteien oder ihren Rechtsnachfolgern jederzeit
zu ertheilen. Aus einem solchen Vergleiche findet, wie aus einer notariellen Urkunde,
die Zwangsvollstreckung statt (§ 32, vgl. CPO. 88 706, 662 — 701, 703 — 705,
in den Fällen der §§ 664, 665 wird die vollstreckbare Ausfertigung nur auf An-
ordnung des Amtsgerichts ertheilt) — eine Bestimmung, die nicht ohne Gefahr ist,
weil häufig zum Schein schiedsmännische Vergleiche aufgenommen werden, durch die
sich ein Gläubiger die Vortheile des § 709 der CPO. durch Pfändung sichern kann.
— Die Anrufung des S. ist freiwillige Sache der Parteien.
2. Bei Beleidigungen und leichten Körperverletzungen ist die Ablehnungsbefug-
niß des S. eine beschränktere, damit dem Privatkläger die Beschaffung des Attestes
ohne Schwierigkeit möglich werde. Die Parteien müssen zu dem Sühnetermin ge-
laden werden, doch bleibt die Art der Ladung dem Antragsteller, bzw. S. über-
lassen, die Hülfe des Gerichtsvollziehers ist nicht ausgeschlossen, aber nicht noth-
wendig. Eine Bescheinigung über die Erfolglosigkeit des Sühneversuchs kann nur
ertheilt werden, wenn der Antragsteller im Termine anwesend war. — Die An-
rufung des S. ist hier nothwendig.
3. Die Verfügungen und Verhandlungen vor dem S. find, soweit nicht etwaige
Umgehungen der Stempelgesetze beabsichtigt sind, kosten= und stempelfrei, nur die
baaren Auslagen und Schreibegebühren sind dem S. zu entrichten, während die
sächlichen Kosten den Gemeinden zur Last fallen, welche ihrerseits wiederum etwaige
Geldstrafen erhalten.
II. Bestellung der S. Mindestens muß für jede Gemeinde oder jeden
selbständigen Gutsbezirk ein S. bestellt werden, die Abgrenzung der Bezirke ist