Schiedsspruch. 557
promiß zur Verhandlung und Entscheidung der Sache vereinbarten Orte einzustellen,
ihre Gegenwart bei der Entscheidung ist nur, wenn sie verabredet ist, erforderlich.
Nach dem Civilrecht (1. 21 8 10 D. ibid.) gilt, wenn kein Ort verabredet ist, was
im Staatenverfahren rücksichtlich der Verhandlung wol kaum statthaben wird, der
des Kompromisses und ist die in Abwesenheit der Parteien gefällte Entscheidung
ungültig (1. 27 § 4 D. ibid.). Der Schiedsrichter bestimmt den Parteien einen
Termin zur Vorlage der Beweismaterialien und Verlautbarung etwaiger Anträge
(Heffter, 1I. c.); ein Termin zur Entscheidung ward im Staatenverfahren in der
Regel nicht angesetzt, geschah es aber, so ist eine nach Ablauf desselben gefällte Ent-
scheidung nichtig (1. 1 C. 2, 55), ein Beifpiel protrahirter Entscheidung s. bei
Martens, Guid. dipl., 1.c. Der Zwang zur Erfüllung eines sonst nicht an-
fechtbaren völkerrechtlichen S. liegt in der im Kompromiß vertragsmäßig über-
nommenen Verpflichtung, sich dem Entscheid zu fügen (Vattel, l. c.; Welcker,
1. c.; Phillimore, III. 5). Alle sonst angeführten moralischen und unmoralischen
Gründe (Welcker, I. c.; Berner, 108) sind diesem Vertragszwange nicht gleich-
werthig und haben außerdem keine Rechtsbasis. Das von Phillimore (III. 6)
zur Erwägung gestellte Recht des Obmanns, für den Fall der Nichterfüllung Krieg
zu beginnen, ist bisher vom Völkerrecht als ein rechtmäßiger Kriegsgrund nicht an-
erkannt, Heffter (l. c.) spricht dem Schiedsrichter überhaupt mit Recht jegliches
Zwangsrecht gegen die Parteien ab, und selbst Phillimore will den Obmann im
Fall der Nichterfüllung nicht zur Eröffnung eines Krieges für verpflichtet halten.
Die Unterzeichnung des S. durch die Parteien in der Bedeutung, daß sie nicht
blos nicht widersprechen, sondern auch erfüllen wollen (I. 4 § 6 C. 2, 55), würde
bei völkerrechtlichen Schiedssprüchen nur eine Wiederholung einer kompromissarisch
bereits übernommenen Verpflichtung involviren. Die Vereinbarung einer Strafe
durch die Kompromittirenden für den Fall der Nichterfüllung (Berner, lI. c.) wäre
unter Staaten an sich unangemessen und kein genügendes Aequivalent, außerdem
würde der Maßstab für die Abschätzung des einer Partei durch die Nichterfüllung
des S. geursachten Schadens beim Abschluß des Kompromisses fehlen, da dann der
S. noch nicht gefällt ist. Ebenso unanwendbar ist auch die Gewährung des Rück-
tritts nach geleisteter Strafe (I. 4 § 5 C. 2, 55; Nov. 82 cap. 11) und die Fest-
setzung einer Strafe für den Fall, daß sich eine Partei zum S. nicht stellt (1. 2
C. 2, 55). Der S. ist inappellabel (die 1. 1 C. 2, 55; I. 9 D. 2, 8 er-
wähnte Ausnahme betrifft einen einzelnen Fall und findet außerdem im Völkerrecht
keine Anwendung); indeß weigern trotzdem sich der Annahme die Parteien, besonders
diejenige, welche sich verletzt glaubt (Martens, Guid. dipl., I. 193 und not. 2;
Twiß, II. 8 ff.). Mit Recht kann dem S. Folgeleistung versagt werden, wenn
1. das Kompromiß ungültig war (Heffter, I. c.), oder 2. verletzt wurde (1. 32
§ 21 D. 4, 8), 3. bei absoluter Rechtswidrigkeit (Vattel, 1. c.; Martens,
Guid. dipl., I. 193; Twiß, II. 8), denn daß man sich einem ungerechten S.
unterwerfen müsse, weil es im Völkerrecht keinen höheren Richter gebe (Wildm.,
I. 186), ist keine genügende Beweisführung; 4. bei thatsächlicher Unrichtigkeit oder
wegen eines von den Parteien oder dem Schiedsrichter verschuldeten Irrthums;
5. wenn die Parteien nicht oder nicht ausreichend gehört sind; 6. wenn der Schieds-
richter parteiisch entschieden (Vattel, 1. c.; Pufendorf, l. c.; Heffter, l. c.),
oder wenn er 7. eine Partei arglistig behandelte (I. 32 § 14 D. ibid.) oder unred-
lich (Heffter, 1. c.) oder derselben 8. etwas Unziemliches (lI. 21 § 7 D. ibid.)
auferlegte, z. B. etwas der Ehre oder Unabhängigkeit eines Staates Widersprechen-
des (Martens, Guid. I. c.), oder wenn 9. eine Partei den Schiedsrichter bestochen
(Pufendorf, I. c.), oder wenn sie 10. gegen den Gegner arglistig gewesen (I. 31
D. ibi. Vgl. Vattel, 1. c.). Heffter (I. c.) führt noch außerdem Unfähigkeit
des Schiedsmannes an, indeß muß diese wol später, nach Abschluß des Kompromisses,
eingetreten sein. Daß der Schiedsrichter, selbst wenn er sich geirrt, seinen S. nicht