Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

564 Schiedsspruch. 
zum Abschluß zu bringen sein und sind sie auch unerläßlicher, wenn auch bei deren 
Abfassung die Erfahrung nur auf Grund weniger Fälle wird zu Rathe gezogen 
werden können, da mehr als der Anlaß und die Entscheidung eines Schiedsfalles 
in der Regel nicht veröffentlicht ist. 
Eine völkerrechtliche Entscheidungsinstanz im größeren Maßstabe und als 
ständiges Forum erstrebten schon Groot (II. XXIII. §. 8) und Castel de St. 
Pierre (Droysen, Histor. Beitr. zur Lehre von den Kongressen, in Monatsber. 
d. Preuß. Akad., Juli 1869, 651 ff.; vgl. auch Heffter, V. R., 4. Ausg., 
Beilage X. d. Kongreßpraris, 467 ff.). Ueber Napoleon's mißglückten Versuch 
(1863) zu einem die wichtigsten Staatenfragen entscheidenden Kongreß s. die Akten- 
stücke in Aegidi's Staatsarchiv V. Nr. 918 und 964 ff., und überhaupt über 
allgemeine Kongresse, sowie insbesondere auch über den von Lorimer propon. 
„Congrès international, basé sur le principe de facto“ (Revue d. dr. internat. 
III. 1 ss.), siehe Witold Zaleski, Die völkerrechtliche Bedeutung der Kongresse, 
Dorpat 1874, S. 30 ff. Ueber die obligatorische Einführung der Schiedsgerichts- 
barkeit s. auch Löwenthal, Grundzüge zur Reform der Völker, Berlin 1874. 
Er proponirt (S. 7) Bildung des internat. Schiedsgerichts aus den Präsidenten der 
obersten Gerichtshöfe der einzelnen Nationen. — Die angeführten und andere ähn- 
liche Vorschläge entsprechen aber meist nicht den Anforderungen einer Rechts-Schieds- 
Instanz, sondern sind meist politischer Natur, solche Instanzen können aber zur 
Stabilisirung des internationalen Rechtszustandes der Staaten nichts beitragen. 
Dagegen hat in neuester Zeit Laveleye eine haute cour arbitrale zur Ent- 
scheidung der Differenzen, freilich solcher Staaten vorgeschlagen, welche zuvor einen 
code de droit international angenommen. Der Gerichtshof soll aus diplomatischen 
Repräsentanten der beitretenden Staaten bestehen, welche in ihren Arbeiten durch 
jurisconsultes en droit international unterstützt würden. Zum Sitz soll die Haupt- 
stadt eines kleinen neutralen Staates gewählt werden. Der Hof soll in Bezug auf 
seine Zusammensetzung permanent sein, seine Sitzungen aber nur zu Entscheidung 
eines speziellen Konflikts halten. Dabei genüge der einzige Vorbehalt, daß die 
Intervention in innere Angelegenheiten ausgeschlossen sei. Die Initiative zu dieser 
Institution weist der Proponent England oder den Vereinigten Staaten von Nord- 
amerika zu. Außerdem proponirt Laveleye: 1) eine Konferenz von Delegirten — 
Juristen und Diplomaten — verschiedener Staaten zur Feststellung der heutzutage 
noch bestrittenen Grundsätze des Völkerrechts; 2) daß festgesetzt werden solle, daß 
man, ehe man zu den Waffen greife, die schiedsrichterliche Entscheidung der Mit- 
kontrahenten anrufe und daß 3) eine darauf bezügliche Klausel den Verträgen ein- 
gefügt werde. Wir erachten, daß die proponirte Schiedsinstanz schon jetzt eingeführt 
werden könne und daß die Initiative dazu England, als demjenigen Staat, welcher 
unter den europäischen am häufigsten bisher auf den S. provozirt, vorzugsweise 
zustehe, daß daher nicht abzuwarten sei, bis die unter 1) erwähnte Konferenz ihre 
umfassende Arbeit beendet und dieselbe wenigstens von einer Mehrzahl von Staaten 
und jedenfalls von allen größeren sanktionirt ist; daß die Festsetzung unter 2) in 
einer allgemeineren, alle Rechtsmittel des gütlichen Verfahrens umfassenden Weise 
erfolge und daß eine solche den Verträgen eingefügt werde, wenngleich wir nicht 
übersehen, daß eine schiedsrichterliche Entscheidung der beste Modus ist und die Ver- 
pflichtung dazu eine zwingendere, als zu einer bloßen Intervention oder gar nur 
zu bons offices, die beiden letzteren aber doch dann werden angewandt werden 
müssen, wenn ein S. mit Rücksicht auf die Art des Falles unanwendbar scheint. 
Uebrigens sind Klauseln in der einen oder anderen Weise schon wiederholt Verträgen 
eingefügt worden, so z. B. dem Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten von 
Nordamerika und Mexiko vom 2. Febr. 1848 Art. XXI. bei Martens, I. c., 
larbitration) und dem Pariser Vertrag von 1856 Art. 8 rücksichtlich der Differenzen 
zwischen der Türkei und Mitkontrahenten des Vertrags laction médiatrice). Andere
	        
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