Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Schlachthaus. 579 
dem Namen von „Kuttelhöfen“ oder „Kuttelhäusern“ S. angelegt, die jedoch den 
Forderungen unserer Zeit in keiner Weise entsprechen. 
Zu Anfang dieses Jahrhunderts wurden in Frankreich in allen mittleren und 
größeren Städten moderne öffentliche S. eingerichtet. Diese Einrichtung verdankt 
es vorzugsweise Napoleon I., welcher unter dem 9. Februar 1810 dekretirte, 
daß alle Privatschlächtereien in den mittleren und größeren Städten zu beseitigen 
und gemeinschaftliche, öffentliche Etablissements derart zu errichten seien. Belgien 
folgte dem in Frankreich gegebenen Beispiele, so daß dort gegenwärtig ebenfalls 
in allen größeren Städten allen Ansprüchen genügende S. vorhanden sind. In der 
Schweiz, in Italien, in England und Schottland besitzen fast alle bedeutende Städte 
öffentliche S. In Oesterreich, Bayern, Baden und Württemberg sind die Gemeinden 
befugt, den S.zwang für sämmtliche Arten von Vieh einzuführen, und zwar ist diese 
Materie gesetzlich geregelt in Oesterreich durch die Oesterr. Gew. O. vom 20. Dez. 
1859, in Bayern durch das Polizei-StrafG B. vom Jahre 1881 bzw. das Polizei- 
StrafGB. vom 26. Dez. 1871, in Baden durch das Gew. Ges. vom 20. Sept. 
1862, in Württemberg durch das Generalreskript vom 20. Juni 1721. 
In Sachsen sind die vorkommenden öffentlichen S. im Besitze der Innungen. 
Der S. zwang, welcher sich nur auf Großvieh erstreckt, hat nur die Gewohnheit und 
die polizeiliche Anordnung zum Rechtsboden. In Hessen-Darmstadt hat die S. frage 
noch keine gesetzliche Regelung gefunden; in einzelnen Städten, z. B. in Darmstadt, 
ist durch frühere landesherrliche Verordnung S.zwang eingeführt worden. In Preußen 
kam es nach dem Auftreten der Trichinose zu einer sehr lebhaften Agitation für die 
Errichtung öffentlicher S. Allein, trotzdem vielseitig und eingehend besonders seitens 
der ärztlichen Vereine für die Nothwendigkeit der Errichtung öffentlicher, ausschließ- 
lich zu benutzender S. plädirt wurde, kam es erst im Jahre 1868 zu einer gesetz- 
lichen Regelung dieser Materie. Auf Grund des Gesetzes vom 18. März 1868 
wurden bis zum Jahre 1880 nur in zehn Städten öffentliche S. errichtet. Durch 
die in den betreffenden Städten gemachten Erfahrungen kam allgemein die Ueber- 
zeugung zum Ausdruck, daß das Gesetz in einigen Punkten der Abänderung und Er- 
gänzung bedürftig sei, wenn die Errichtung öffentlicher S. und die gedeihliche 
Weiterentwickelung der bereits vorhandenen gefördert werden solle. Es wurde des- 
halb, besonders auf Anregung des Niederrheinischen Vereins für öffentliche Gesund- 
heitspflege, im Jahre 1880 ein Gesetzentwurf zur Abänderung und Ergänzung des 
Gesetzes vom 18. März 1868 berathen und im Jahre 1881 endgültig festgestellt, 
welcher die Befugnisse der Gemeinden auf diesem Gebiete bedeutend erweitert. 
Während denselben nach dem Gesetze vom 18. März 1868 nur die Befugniß zu- 
stand, den Schlachtzwang und die Untersuchung des in das S. gelangenden Viehes 
einzuführen, sind dieselben nunmehr berechtigt: 
1) „das von außerhalb in den Gemeindebezirk eingeführte Fleisch innerhalb 
gewisser Grenzen einer Untersuchung zu unterwerfen“; 
2) „im städtischen Verkehr eine Sonderung des S. fleisches und des von Außen 
eingebrachten Fleisches durchzuführen“; 
3) „die städtischen Schlächter zu nöthigen, das öffentliche S. der Stadt zu be- 
nutzen, wenn sie für ihren städtischen Gewerbebetrieb schlachten."“ 
Da die Entschädigungspflicht der Gemeinden den Besitzern von Privat-S. gegen- 
über ebenfalls vielerorts ein Hinderniß für die Errichtung von öffentlichen S. ge- 
wesen, so wurde eine Deklaration des von der Entschädigung der Schlächter han- 
delnden § 7 des Gesetzes vom 18. März 1868 hinzugefügt, ebenso eine Bestimmung 
über den Zeitpunkt, von welchem ab die Errichtung neuer Privatschlachtanstalten 
nicht mehr gestattet sein soll. 
Das Gesetz verfolgt einen doppelten Zweck, nämlich 1) die mit dem Betriebe 
der Privatschlachtstätten verbundenen Belästigungen der Nachbarschaft zu beseitigen 
und 2) das Publikum gegen den Genuß ungesunden Fleisches zu schützen. Nach der 
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