584 Schmerzensgeld.
S. keineswegs beseitigt, wie das erwähnte Lübecker Urtheil behauptet, es wird nur
durch die Zuerkennung einer Buße, die ja lediglich den Charakter einer Entschädigung
hat (s. den Art. Buße), im einzelnen Falle die weitere Geltendmachung eines
S. anspruches ausgeschlossen (StrafG B. § 231). Aus dieser Natur des S. bestimmt
sich auch die Haftung mehrerer Mitthäter; ein Ersatz braucht nur einmal geleistet
zu werden, nicht — wie eine Strafe (Privatstrafe) — von jedem ganz, die Mit-
thäter haften also nur in solidum, nicht jeder auf das Ganze.
II. Unter den Partikularrechten billigt das Preuß. Allg. L R. (I. 6
§§ 112—114) ein S. nur Personen vom Bauer= oder gemeinen Bürgerstande zu,
denen körperliche Verletzungen aus Vorsatz oder grobem Versehen zugefügt worden
sind. Der Betrag soll zwischen der Hälfte und dem Doppelten der erforderlichen
Kurkosten bemessen werden. Dem vornehmen Mann wird ein höheres Ehrgefühl
zugemuthet, seine Schmerzen sind unschätzbar und kommen nur als Strafzumessungs-
grund in Betracht. Da es sich nicht um ein Standesvorrecht handelt, sondern um
„einen thatsächlich bestehenden Unterschied der Stände“, so sind diese Bestimmungen
durch Art. 4 der Preuß. Verfassung nicht ausgehoben (Entsch. des OTrib. in
Striethorst's Archiv, Bd. XXXII. S. 190); das Unpassende derselben wird
indessen allgemein anerkannt.
Das Oesterreichische Allg. BGB. gewährt in § 1325 dem Verletzten
„ein den erhobenen Umständen angemessenes S.“, dessen Höhe demnach lediglich dem
richterlichen Ermessen überlassen ist. Der Anspruch darauf ist unvererblich (arg.
§ 1317), sofern nicht die Klage von dem Verletzten bereits angestellt oder vorbereitet
ist. In gleicher Weise verpflichten das Sächsische BGB. und das Zürcher
GB. (Bluntschli) denjenigen, welcher durch seine Verschuldung (also dolus und
culpa) Jemand an dessen Körper verletzt, zur Bezahlung eines angemessenen S. an
den Beschädigten. In Baden und Württemberg ist der Anspruch auf S. aus-
drücklich aufgehoben. Ebenso ist er dem Code civil unbekannt.
III. Von Reichsgesetzen wird das S. außer in den erwähnten 98 des
Rötraf G#B. indirekt berührt durch das Gesetz, betr. die Verbindlichkeit zum Schadens-
ersatz für die bei dem Betriebe von Eisenbahnen, Bergwerken 2c. herbeigeführten
Tödtungen und Körperverletzungen, vom 7. Juni 1871 (R.G. Bl., S. 207), welches
in § 3 für den Fall einer Körperverletzung nur den Ersatz der Heilungskosten und
des erlittenen Vermögensnachtheils gewährt, im § 9 indessen die weitergehenden
Landesgesetze aufrecht erhält (vgl. Entsch, d. Reichsger. I. S. 277), und durch das
Gesetz über das Postwesen des Deutschen Reichs vom 28. Oktober 1871 (R.G. Bl.,
S. 347), welches in § 11 im Falle der körperlichen Beschädigung eines Reisenden
lediglich die erforderlichen Kur= und Verpflegungskosten zuspricht.
Für die Bemessung des S. ist jetzt ganz allgemein der § 260 der CPO.
maßgebend („Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse“).
Quellen: CC art. 20. — Allgem. LR. I. 6 §§ 112—114. — Oesterr. Allg. BG.
§ 1325. — Sächs. BGB. § 1489. — Bad. LR. Art. 1382 ff. — Württemb. Gesetz vom
5. Sept. 1839 Art. 14. — Code civil art. 1382—1386. — Vgl. die angeführten Reichsgesetze.
Lit.: Glück, Bd. X. S. 388 ff. — Gensler im Acchiv für die civil. Prax. Bd. I.
S. 151 ff. — Seitz, Untersuchungen über die heutige Schmerzensgeldklage, 1860 und dazu
v. Stintzing in v. Pözl's Krit. V.JT.Schr. Bd. II. S. 590 ff. — Die Pandektenlehrbücher von
Sintenis, He. II. § 125 und Windscheid, Bd. II. § 455 (5. Aufl. S. 715 u. 716). —
v. Wächter, Die Buße bei Beleidigungen u. Körperverletzungen, 1874, S. 72—87. — Stobbe,
Deutsches Privatrecht, Bd. III. S. 203 (S. 416—419). — Seuffert's Archiv I. 220; IV.
227; VIII. 138; XII. 316; XIII. 31; XV. 131; XVIII. 42, 138; XXIII. 31; XXV. 26;
XXVII. 30; XXKXl. 230, 232; XXXII. 239. — Förster, Theorie und Praxis des Preuß.
Privatrechts, Bd. II. § 151. — Dernburg, Lehrbuch des Preuß. Privatrechts, Bd. II.
§ 261. — Koch, Kommentar zum Allgem. LR. (I. 6 §§ 112—114). — Unger, System des
Oesterr. Privatrechts, Bd. II. 5 114 Anm. 16 (S. 365). geil
eil.