Schulbauten, Schulbeiträge, Schulgeld. 605
legium des Gewerbebetriebs auf dem Dorf zu gewähren gegen die Verpflichtung, die
Dorfkinder zu unterrichten. Zuweilen wurden die Lehrerstellen mit Militärinvaliden
besetzt. Da bis zum Schluß des XVIII. Jahrhunderts das Elementarlehrerthum
noch nicht als Berufsstand galt, so konnten hier die mannigfaltigsten Kombinationen
nützlicher Hantierungen zum Vorschein kommen.
2) Den zweiten Schritt bildet das Gebührenprinzip durch Einführung des
Schulgroschens oder Schulgeldes. In Anerkennung des Grundsatzes, daß
die Gemeinde für bestimmte geldwerthe Leistungen ein Aequivalent von den Be-
theiligten erheben könne, wurde von den Eltern der Schulkinder eine nach Köpfen
berechnete kleine Zahlung erhoben, die nicht selten das einzige Baareinkommen des
Lehrers bildete. Für unterthänige Leute gewährte oft der Gutsherr die Zahlung
des Schulgeldes aushülflich, was im Preuß. LR. als gesetzliche Regel ausgesprochen
wurde. Dies Gebührensystem hat sich über ganz Deutschland verbreitet und kommt
noch heute in den meisten Gebieten zur Anwendung.
3) Den dritten Schritt bildet eine Ergänzung der Schuldotationen aus
den allgemeinen Mitteln der Gemeinde, welche schon im XVIII.
Jahrhundert häufig eintritt, im XIX. Jahrhundert eine immer breitere Grundlage
erhält. Da nach dem System des Westfälischen Friedens die Bekenner der katho-
lischen, lutherischen und reformirten Kirche meistens in geschlossenen Gruppen bei-
sammen wohnen, so erscheint in den meisten Landestheilen die kirchliche und die
politische Gemeinde als identisch. Schloß sich daher auch die Schule an das
kirchliche System an, so erschien es doch als natürliche Pflicht der politischen Ge-
meinde, die anerkannt gemeinnützige Anstalt aus ihren Mitteln zu unterstützen.
Eine strenge Abgrenzung der Gemeindezwecke hat in Deutschland überhaupt nirgends
stattgefunden. Es bildete sich daher in großen Gebieten stillschweigend die Ob-
servanz, nach der der politische Gemeindeverband für die Erhaltung der Volks-
schule eintritt, sofern die sonst vorhandenen Mittel nicht ausreichen. Die Mehrzahl
der Mittel= und Kleinstaaten, darunter auch Bayern, konnten mit diesem Grundsatz
bis heute auskommen. Die Schulunterhaltungspflicht trat damit auf den breiten
Boden der Gemeindeautonomie, welche die Gemeindebedürfnisse in den mannigfaltigsten
Gestalten von Real-, Personal= und Verbrauchssteuern aufbringt und nur für neue
Steuerweisen die Genehmigung der Aufssichtsbehörden vorbehält. Mit der Durch-
führung gleichmäßiger, direkter Staatssteuern erscheint im XIX. Jahrhundert auch
das System der „Steuerzuschläge“ zu den Gemeindebedürfnissen, welches im Lauf
des letzten Menschenalters sich soweit ausgedehnt hat, daß es in Preußen den Ge-
sammtbetrag der direkten Staatssteuern bereits übersteigt. Die Erhebung besonderer
„Schulsteuern“ ist wie das System der Zwecksteuern überhaupt in den Deutschen
Gemeinden nicht zur Regel geworden; kommt jedoch in den westlichen Provinzen
Preußens, namentlich in den Städten, mehrfach zur Anwendung.
4) Ein vierter Schritt war die Bildung besonderer Gemeindeverbände
für den Zweck der Erhaltung gemeinschaftlicher Volksschulen. Die Veranlassung
dazu war in solchen Landestheilen gegeben wo ausnahmsweise eine gemischte katho-
lische und protestantische Bevölkerung in kleinen Ortsverbänden so beisammen lebte,
daß die Bildung gesonderter Ortsschulen im Anschluß an die Kirchensysteme zur Un-
möglichkeit wurde. Eine viel häufigere Veranlassung lag in der Kleinheit vieler Ge-
meinden, welche für sich allein eine Schule zu erhalten außer Stande waren. Noch
eine Veranlassung trat später hinzu, seitdem die Agrargesetzgebung des XIX. Jahr-
hunderts die „Gutsbezirke“ von den Dorfgemeinden trennte, und nun die Gutsbezirke
in der Regel außer Stande waren, für die kleine Zahl ihrer schulpflichtigen Kinder
eigene Schulen einzurichten. Alle diese Umstände trafen zusammen in der Preuß.
Monarchie, und zwar am stärksten in der Provinz Schlesien. Auf diesem Boden
entstand das System der „Schulsozietäten“, d. h. eine Neubildung von
Gemeindeverbänden zu einem Einzelzweck, eine Bildung von „Verwaltungsgemeinden“