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Grundsatz bestimmt sich der Ascendentenpflichttheil. Immer ergiebt sich die In—
testatportion des einzelnen Pflichttheilsberechtigten durch Mitzählung aller derer,
welche bei gesetzlicher Erbfolge dessen Miterben sein würden, gleichviel also, ob recht-
mäßig enterbt, ob ihnen Pflichttheilsrecht zusteht; doch gehört nicht hierher die arme
Wittwe, indem dieser das Röm. Recht weder Intestaterbrecht noch Pflichttheil, sondern
einen außerordentlichen, durch Vorabzug vom reinen Aktivnachlaß zu befriedigenden
gesetzlichen Singularanspruch beilegt. Ist sonach des Einzelnen Pflichttheilsquote
ermittelt, dann ergiebt sich 1) deren reeller Betrag a. aus dem Nachlaßbestande zur
Todeszeit, aber b. unter Einrechnung alles dessen, was der Berechtigte aus des Erb-
lassers Vermögen von Todeswegen erhält (nach richtiger Ansicht auch des durch
jegliche Anwachsung und Vulgarsubstitution ihm Zufallenden), sowie dessen, was ihm
mit dieser Bestimmung unter Lebenden ausdrücklich oder stillschweigend (so Dos,
Eheschenkung, Berufsausstattung) vom Erblasser zugewendet ist; 2) ob dieser reelle
Pflichttheil dem Berechtigten irgendwie letztwillig, aber unverkürzt hinterlassen worden.
Aus letzterem folgt, daß jede Belastung und Beschränkung, soweit sie die portio
debita treffen würde, gestrichen wird, und nur für den etwaigen Ueberschuß fort-
besteht. Hierauf bezieht sich die nach dem Marianus Socinus (7 1556) benannte,
aber bereits im Röm. Recht enthaltene sog. cautela Socini, die dem Erblasser an-
räth: entweder den Pflichttheil ohne onus, oder mehr und mit onus auf dem
Ganzen, und somit dem Berechtigten die Wahl zwischen beiden zu hinterlassen.
An dieser P. hat die Verschmelzung des formellen und materiellen Notherbrechts
durch Justinian in der Nov. 115 nichts geändert. — Die neueren Gesetzgebungen,
welche nur Pflichttheilsrecht anerkennen, dasselbe auf Descendenten und Ascendenten
beschränken, diesen den Ehegatten und gewisse öffentliche Anstalten (und zwar bald
mit Pflichttheilsrecht, bald mit außerordentlichem Erbrecht) zugesellen, haben die
Einrechnung in den Pflichttheil im Einzelnen umgestaltet; so bringt das Sächsf.
BGB. alle Konferenda der Descendenten in Anrechnung. Die Bestimmungen dieses
Gesetzbuchs, noch mehr als die des Preuß. LR., trifft der Vorwurf übertriebener
Breite, ferner daß sie bei Descendenten (der Code civil auch bei Ascendenten) den
Fehler der verschiedenen Quotengröße verewigen. Das heutige Pflichttheilsrecht
bedarf der Vereinfachung, im Anschluß entweder an die portion disponible des Code
civil, oder (was vorzuziehen) an die durchweg sachgemäßen Bestimmungen des
Oesterr. BG#B., welches dem Descendenten die Hälfte, dem Ascendenten ein Dritt-
theil seines gesetzlichen Erbtheils zuspricht; nur wäre letztgenanntes Recht auf Eltern
zu beschränken. Dem Ehegatten sollte man keinen Pflichttheil, sondern eine außer-
ordentliche Vorabzugsquote, bzw. den mangelnden Unterhalt aus der Masse ge-
währen.
Lit. u. Quellen: Frangke: Recht der Notherben ů d ff. — Schröder, Das
Notherbenrecht, Abth. I. (1877) S. 278 ff. — u. XXXV. — Wind-
scheid, Lehrb, II. 88 580 ff. — Unst. 2, ½ . ¼4. R 28. — Nov. 18 c. 1. —
Tov. 89 c. 12 § 3. — Preuß. Allg. 2#4. II. 2 §§ 391 ff., 501 ff.; II. 1 88.631 ff. — Oesterr.
BGB. 9 762, 784 ff. — Sichs. B#B. §§ 2564—2617. — Code eiv. art. 913 ss. —
Mommsen, Erbr.= -Entw., §§ 471 ff. Schütze.
Pfordten, Ludwig Karl Heinrich von der, 5 11. IKX. 1811 zu Ried
im Innviertel, stud. in Erlangen u. Heidelberg, 1833 Dozent in Würzburg, 1836
ord. Prof., 1841—43 Appellationsgerichtsrath in Aschaffenburg, dann Professor in
Leipzig an Puchta's Stelle 1848—49 Königl. Sächs. Minister des Auswärtigen
u. des Kultus, gab in Folge der Kammerverhandlung über die Anerkennung der sog.
Deutschen Grundrechte Februar 1849 seine Entlassung, war dann von April e. a.
Minister in Bayern bis April 1859, nachmals Bayer. Bundestagsgesandter in Frank-
furt a M., 1864 Vorsitzender im Bayerischen Ministerrathe, schloß 14. VI. 1866
den Olmützer Allianzvertrag mit Oesterreich, 22. VIII. e. a. aber mit Preußen nach
Annahme des Schutz= und Trutzbündnisses einen günstigen Frieden, 29. XII. 1866
entlassen, F# 18. VIII. 1880.