Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

614 Schullehrer. 
Patrimonialstaat gab auch dem Lehrerstand einen Anflug von der Stellung der 
unterthänigen Klassen gegenüber der herrschenden Klasse. Als gegen Ende des 18. 
Jahrhunderts die Lehrerseminarien einige Bedeutung erhielten, so war es doch immer 
nur der kleinere Theil der besser ausgestatteten Stellen, welcher mit einem berufsmäßig 
ausgebildeten Personal besetzt werden konnte. Auch in Preußen wurde erst seit der 
Verjüngung des Staats nach den Niederlagen von 1806 die Seminarbildung als 
organisches Glied dem allgemeinen Unterrichtssystem eingefügt. Es blieb damit auch 
in der Preußischen Gesetzgebung eine weite Kluft zwischen dem studirten Lehrer und 
dem unstudirten unausgefüllt. Während jener schon gegen Ende des 18. Jahr- 
hunderts die wichtigsten Privilegien und Immunitäten der Staatsbeamten erhalten 
hatte, so wußte man dem unstudirten Lehrer noch immer keine Stellung in der 
Hierarchie des Staats und der Gesellschaft anzuweisen. Auf die große Zahl der 
Elementarlehrer das Privilegium eines eximirten Gerichtsstandes und manche andere 
Beamtenprivilegien auszudehnen, trug man aus guten Gründen Bedenken. Aber 
auch in Bezug auf Gehalt und Pensionsberechtigung fehlten durchweg die Geld- 
mittel, um den Lehrerstand mit seinem ganzen Personal unter die „unmittelbaren 
oder mittelbaren Diener des Staates“ einzureihen. Erst seit der Zeit der Freiheits- 
kriege beginnt mit dem Aufwachsen der staatsbürgerlichen Gesellschaft auch die Ein- 
reihung des ganzen Lehrerstandes in die höhere Stellung des Staatsdienerthums, die 
um so leichter ausführbar wurde, seitdem der privilegirte Gerichtsstand und einige 
andere Immunitäten der Beamten weggefallen oder ermäßigt waren. Mag in den 
Verf. Urk. oder Verwaltungsgesetzen ihre Stellung als „Staatsdiener“ ausgesprochen sein, 
oder nicht, so haben sich doch überall diejenigen Momente entwickelt, auf die es in 
der Sache ankommt. 
1) Die Lehrerbildung wird auf ein verwaltungsrechtlich bestimmtes Maß 
einer berufsmäßigen Vorbildung gestellt, und eine durch geordnete Prüfungen zu er- 
werbende Qualifikation bildet die Vorbedingung zum Lehramt, neben welcher eine 
unvollständige Vorbildung in privaten Präparandenanstalten nur noch aushülflich in 
Nebenstellen oder sehr gering dotirten Landschulen zugelassen wird. 
2) Rücksichtlich der Anstellung kommen die normalen Grundsätze des Amts- 
rechts zur Geltung: sie erfolgt entweder unmittelbar durch die Staatsbehörden oder 
auf Nomination eines Patrons oder einer Gemeindebehörde nach den Grundsätzen 
vom „mittelbaren“ Staatsbeamtenthum unter Bestätigung der Aufsichtsbehörde. Die 
Anstellung ist eine grundsätzlich lebenslängliche, die Dienstentlassung und 
die disziplinarische Bestrafung nach den Grundsätzen des Deutschen Beamten- 
rechts geregelt. 
3) Gehalt und Pensionsberechtigung werden auf dem Fuß des nor- 
malen Amtsrechts gestellt. In manchen Kleinstaaten sind Minimalgehalte, Alters- 
zulagen und Pensionssätze sogar gesetzlich fixirt, wie dies in einem Kleinstaat in der 
That ausführbar ist. In Preußen und in den größeren Staaten ist auf dem Wege 
der Regulative eine gewisse Gleichmäßigkeit durchgeführt, wie dies bei der großen 
Verschiedenheit der Bedürfnisse und Gewohnheiten der einzelnen Landestheile aus- 
führbar war, und auch eine Pensionsberechtigung nach einem bescheidenen Maßstab 
ist jetzt wol überall anerkannt. 
So reift von dieser Seite aus das Unterrichtswesen einer allgemeinen ge- 
setzlichen Organisation auch von unten herauf entgegen. Den Beschwerden des 
Lehrerstandes ist in den wesentlichsten Punkten abgeholfen, und trotz mancher Schwan- 
kungen in den Verwaltungssystemen des letzten Menschenalters ist wol nirgends ein 
Rückschritt erfolgt. Die zuweilen übertriebenen und unausführbaren Forderungen des 
Lehrerstandes beruhen auf der Einseitigkeit, die in jedem geschlossenen Berufskreis zur 
Erscheinung kommt, und welche sich nicht genügend klar macht, welche Hemmnisse in 
den Reichs= und Finanzverhältnissen des Staats und der Kommunen einem rascheren 
Fortschreiten entgegenstehen.
	        
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