Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

638 Schwurgericht. 
und sowie der erste Entwurf die Verdrängung des S. durch das Schöffengericht zum 
nicht geringen Theil durch das Bestreben begründet hatte, in allen drei Stufen der 
Gerichtsbarkeit ein prinzipiell gleichartiges Verfahren herzustellen, so sind die Dif- 
ferenzen zwischen dem Verfahren vor den S. und dem vor den Gerichten mittlerer 
Ordnung fast vollständig auf das Unvermeidliche beschränkt worden. 
1) Die Zuständigkeit ist durch die wesentlich negative Vorschrift des 
GV. § 80 geregelt: „Die S. sind zuständig für die Verbrechen, welche nicht 
zur Zuständigkeit der Strafkammern oder des Reichsgerichtes gehören“. Zur Zu— 
ständigkeit des Reichsgerichtes gehören die „Fälle des Hochverrathes und des Landes- 
verrathes, insofern diese Verbrechen gegen den Kaiser oder das Reich gerichtet sind"“ 
(GBVG. § 186, 3. 1). Zur Zuständigkeit der Strafkammern gehören nach § 73 
des GVG. folgende Verbrechen: a. bei welchen das Höchstausmaß der Zuchthaus- 
strafe fünf Jahre beträgt, soweit nicht einer von drei Spezialfällen politischer Natur 
(StrafGB. 8§ 86, 100, 106) vorliegt (Z. 2); b) bei Personen, welche zur Zeit 
der That das 18. Jahr noch nicht vollendet hatten (Z. 3; im Falle der Konkurrenz 
mit Aelteren ist Verbindung der Strafsachen und daher Verweisung vor das S. zu- 
lässig), c) Unzucht mit Personen unter 14 Jahren (StrafG B. § 176, Z. 3. (Z. 4); 
d) Diebstahl, Hehlerei und Betrug in den Fällen der §§ 243, 244, 260, 261 und 
277 des Straf GB. (Z. 5—7). — Auf die Kompetenzbestimmungen des GVG. 
haben also Rücksichten auf die politische Natur der strafbaren Handlung nur in 
geringem Maße eingewirkt; doch sind die „bestehenden landesgesetzlichen Vorschriften 
über die Zuständigkeit der S. für die durch die Presse begangenen strafbaren Hand- 
lungen“ unberührt gelassen worden (§ 6 des EG. zum G.). 
2) Formation des Gerichtes. Die S. treten (nach § 79 des GW.) 
periodisch zusammen; einer näheren Bestimmung über die Periode enthalten sich 
die Reichsgesetze. Das S. besteht aus einem Kollegium von drei Richtern (den 
„richterlichen Mitgliedern des S.“ — § 82), unter denen auch der Vorsitzende in- 
begriffen ist (s. die Art. Sohof, S.präsident), und „aus zwölf zur Entscheidung 
der Schuldfrage berufenen Geschworenen“ (8 81) — der „Geschworenenbank". 
Ueber die Art der Heranziehung zum Geschworenendienste und die Besetzung der 
Geschworenenbank sind die Artikel: Ablehnung von Geschworenen, Ge- 
schworene, Jahresliste, Hülfsgeschworene, Spruchliste, Reduktion 
der Geschworenenliste, Ladung der Geschworenen, Urliste zu ver- 
gleichen. Hier ist nur hervorzuheben, daß die Bildung der Geschworenenbank in 
öffentlicher Sitzung erfolgt (Strafp O. § 281); was zur Begründung dieser Neue- 
rung in den Motiven gesagt ist, rechtfertigt nur den ausdrücklichen Ausspruch des 
Gesetzes, der ergangen sei, ungeachtet die Sache sonst als selbstverständlich hätte 
angesehen werden können; das sachliche Bedenken, das für den abgelehnten Geschworenen 
Verletzende eines solchen öffentlichen Vorganges, welches den Grund des Ausschlusses 
der Oeffentlichkeit im Französischen Rechte bildet, ist nicht berücksichtigt. Ueber die 
Beeidigung der Geschworenen f. d. Art. Geschworene. Der Sitzungsort des 
S. ist in der Regel der Sitz des Lundgerichtes; doch kann die Strafkammer desselben 
bestimmen, daß einzelne Sitzungen an einem anderen Orte innerhalb des S. bezirkes 
abzuhalten seien, in welchem Falle eine befondere Liste von Hülfsgeschworenen gebildet 
wird (G. 88 88, 99). 
3) Die Stellung der Geschworenen charakterisiren die Worte des GW. 
§ 81: „zwölf zur Entscheidung der Schuldfrage berufene Geschworene.“" 
Nach Allem, was in den letzten Jahren und selbst in der amtlichen Bekämpfung der 
Jury über den Gegenstand gesagt wurde, kann nicht bezweifelt werden, daß hierin 
die ausdrückliche Ablehnung der älteren Auffassung, welche die Geschworenen lediglich zur 
Feststellung nackter Thatsachen berufen erachtete, liege. Dies wird ergänzt und bestätigt 
durch die StrafPm O. § 293, nach welcher Bestimmung die Frage an die Geschworenen 
die That „nach ihren gesetzlichen Merkmalen und unter Hervorhebung der
	        
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