640 Schwurgericht.
wird allerdings beim Schöffengericht eine Mehrheit von 2:1, bei den mit fünf
Richtern besetzten Strafkammern eine solche von 4:1 erfordert, so daß in der That
nur beim S. eine eigentliche Zweidrittelmehrheit maßgebend ist. Singulär ist
nur das Erforderniß von mindestens 7 Stimmen zur Verneinung der Frage nach
„mildernden Umständen“ (§ 297 Abs. 2 der StrafP O.). Auch bezüglich der
Rechtsmittel sind die Urtheile der S. denen der Strafkammer prinzipiell gleich-
gestellt; gegen beide ist nur das Rechtsmittel der Revision, welches die Entscheidung
der Thatfrage unberührt läßt, nachgelassen. Daß in S# fällen das Reichsgericht die
einzige Revisionsinstanz ist (§ 136 Z. 2 des GVG.), beruht nicht auf einer Aus-
nahmsstellung der S., sondern auf der ausnahmsweisen Unterstellung gewisser
Urtheile der Strafkammern (§ 123 Nr. 3 des GVG.) unter die Revision der Ober-
landesgerichte. Allerdings aber ist es eine (aus weitergehenden Beschränkungen vor-
ausgehender Gesetze und aus billiger Berücksichtigung des Angeklagten zu erklärende)
Singularität, daß die Staatsanwaltschaft, wenn der Angeklagte von den Geschworenen
für nichtschuldig erklärt worden ist, nur gewisse im § 379 der StrafP O. speziell
hervorgehobene Revisionsgründe dagegen geltend machen kann; auf ein klar erfaßtes
und scharf durchgeführtes Prinzip läßt sich diese Sonderung, welche auch bereits die
Ausleger in Bewegung setzt, nicht zurückführen.
5) Die Bemühungen (insbesondere Gneist's), den Gang der Haupt-
verhandlung in einer mehr dem Englischen Verfahren sich nähernden Weise zu
regeln, blieben zwar erfolglos; allein die sehr erheblichen Verbesserungen des Französischen.
Vorbildes, welche neuere Deutsche S.gesetze und die Oesterr. StrafP O. eingeführt
hatten, haben auch in der RStrafP O. Aufnahme gefunden. Der Schwerpunkt liegt
darin, daß die von dem Vorsitzenden entworfenen Fragen gleich nach dem Schlusse
der Beweisaufnahme verlesen und der Verhandlung unterstellt werden (§8 290, 291
der Straf O.). An die Fragestellung schließen sich sodann „die Ausführungen und
Anträge der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten zur Schuldfrage“ (§ 299 der
StrasP O.). Nun folgt der Schlußvortrag des Vorsitzenden (§ 300 der StrasPO.
s. d. Art. Resumc), und unmittelbar darauf ziehen sich die Geschworenen in das
Berathungszimmer zurück (§ 301 der StrafP O.). Wenn sie zurückkehren, wird ihr
Ausspruch zunächst in Abwesenheit des Angeklagten verkündet, und erst wenn
kein Anlaß zur Einleitung des Berichtigungsverfahrens (s. d. Art Be-
richtigung des Wahrspruches)y gegeben ist, wird jener vorgerufen und ihm der
vom Gericht angenommene Wahrspruch verkündet. Ist der Angeklagte von den
Geschworenen für nichtschuldig erklärt worden, so spricht das Gericht (nicht blos
der Vorsitzende) ihn frei (6 314 der StrafP O.). Eine Aussetzung der Urtheils-
verkündigung ist im S. verfahren nicht zulässig; sie „erfolgt am Schlusse der Ver-
handlung“ (§ 315 der Straf P O.).
IV. In Oesterreich hielt die Entwickelung der Dinge nahezu gleichen
Schritt, wie in Deutschland. Durch ein im Mai 1848 erlassenes Gesetz und durch
das an dessen Stelle getretene Gesetz vom 13. März 1849 ward das S. daselbst
zunächst für Preßsachen eingeführt. Die StrafP O. vom 17. Januar 1850 (wesent-
lich auf dem Entwurf der Thüringischen Straf O. beruhend) brachte für die zum
Deutschen Bunde gehörigen Gebiete die Ausdehnung der S. auf alle schweren Ver-
brechen und auf politische und Preßdelikte. Mit Kaiserlicher Verordnung vom
11. Januar 1852 (erlassen im Zusammenhang mit den am 31. Dezember 1851
aufgestellten „Grundzügen“ für die staatsrechtliche Gestaltung der Monarchie) wurden
sie wieder beseitigt. Aber sogleich nach der Einführung der Verfassung vom 26. Fe-
bruar 1861 faßte sowol die Regierung, als das Abgeordnetenhaus des Reichsrathes
die Wiedereinführung der S. ins Auge. Mancherlei eigenthümliche Wechselfälle
brachten es mit sich, daß gerade ein ausgesprochener Gegner der S., v. Hye, im
Jahre 1861 den Entwurf einer StrafP O. einbrachte, welcher das S. in sachlich
und räumlich weiterem Umfange zur Geltung brachte, als in der Absicht seiner