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eingetreten sein. Nur ist im letzteren Falle bei juristischer Unmöglichkeit stets, bei
faktischer, wenn die Ausführung der Reise durch den Verlust des Schiffs unmöglich
geworden, und Güter gerettet sind, Distanzfracht, d. h. ein dem Verhältniß der
zurückgelegten zur ganzgen Reise entsprechender Theil der Fracht (doch nur bis zum
Werthe der geretteten Güter) vom Befrachter zu zahlen. Auch ist, jedoch nur bei
Befrachtung eines gangen Schiffs, wenn das Hinderniß durch Anordnung einer
souveränen Macht („Verfügung von hoher Hand“) verursacht ist, bevor der Rücktritt
statthaft, auf Beseitigung desselben drei oder fünf Monate zu warten, je nachdem
das Schiff in einem europäischen oder außereuropäischen Hafen sich befindet. Selbst
abgesehen von diesen Gründen ist einseitiger Rücktritt des Befrachters gestattet, aller-
dings nur gegen Entschädigung des Verfrachters, Fautfracht. Die Fautfracht beträgt
bei Verfrachtung eines ganzen Schiffs, wenn der Befrachter vor Antritt der Reise
zurücktritt, die Hälfte der bedungenen Fracht. Außerdem hat der Befrachter, wenn
er nach gelieferter Ladung zurücktritt, die Kosten der Ein= und Wiederausladung zu
tragen, auch Liegegeld zu entrichten, soweit die Wiederausladung nicht in die Ladezeit
fällt. Nach Antritt der Reise aber hat der Befrachter die ganze Fracht zu zahlen
und sämmtliche dem Verfrachter in Folge des Frachtvertrags zustehende Ansprüche
zu berichtigen, auch demselben für die durch die Wiederausladung erwachsenen Mehr-
kosten und sonstigen Schäden Ersatz zu leisten. War das Schiff zugleich auf Rück-
ladung verfrachtet, und war der Rücktritt vor Antritt der Rückreise erklärt, so hat
der Befrachter statt der vollen Gesammtfracht nur zwei Drittel derselben zu bezahlen.
Handelt es sich um eine in anderer Weise zusammengesetzte Reise, so kommt, wenn
der Befrachter vor Beginn des letzten Reiseabschnitts zurücktritt, von der vollen
Fracht eine der Kostenersparniß und dem anderweitigen Frachtverdienst des Verfrachters
entsprechende Quote (jedoch nie mehr, als die Hälfte) in Abzug. Bei Verfrachtung
eines Theils oder bestimmten Raumes des Schiffs gelten dieselben Vorschriften, wenn
sämmtliche Befrachter zurücktreten. Ebenso, wenn ein einzelner zurücktritt, jedoch
mit der Maßgabe, daß er als Fautfracht die volle Fracht zu entrichten hat, von
der freilich die Fracht für eine etwaige andere Ladung in Abzug kommt, und daß
er Wiederausladung der schon gelieferten Güter ohne Genehmigung der übrigen Be-
frachter nur verlangen darf, wenn dadurch keine Verzögerung der Reise und keine
Umladung verursacht wird. Der Stückgüter-Befrachter hat gleichfalls beim Rücktritt,
wenn derselbe vor der Abladung erfolgt, die ganze Fracht mit Abzug der etwa für
anderweitige Güter erhaltenen als Fautfracht zu entrichten; nach geschehener Ab-
ladung ist aber seine Entschädigungspflicht dieselbe, wie bei dem Beifrachter eines
ganzen Schiffs nach Antritt der Reise; auch kann er die Wiederausladung der Güter
nur unter denselben Bedingungen fordern, wie der Befrachter eines Theils des Schiffs.
Esgb. u. Lit.: Deutsches HGB. Art. 556—664.— Franz. Code decomm. art. 227—310.
— Belg. Code de comm. L. II (Gesetz v. 21. Aug. 1879) art. 67—98. — Lewis, Deutsches
Seerecht, I. S. 182—327. — Cresp.-Laurin, Cours de droit maritime, II. (Paris 1878),
p. 1—206. — Maclachlan, On the law of merchant shipping (2. ed. London 1876),
304—547. — Oliver's shipping lav manual (6. ed. London 1879), p. 7—121. — Foard,
On the law of merchant shipping (London 1880), p. 251—464. Lewis.
Seemannsamt (Th. I. S. 544) ist die Behörde, vor welcher die An= und
Abmusterungen der Schiffsleute stattfinden und welcher demgemäß auch die Aus-
fertigung der Musterrolle obliegt. Außerdem hat dasselbe eine Polizeigewalt und
selbst eine Art richterlicher Gewalt über die Schiffsleute, in manchen Fällen auch
über den Schiffer. Das S. hat Seefahrtsbücher auszustellen, welche ein gesetzliches
Erforderniß für den Eintritt in den Schiffsdienst sind. Es hat den Schiffsmann,
welcher nach der Anmusterung dem Antritt oder der Fortsetzung des Dienstes sich
entzieht, zwangsweise zur Erfüllung seiner Pflicht anzuhalten, resp. zu prüfen, ob
etwa das vom Schiffsmann geltend gemachte Hinderniß denselben in Wahrheit außer
Stand setzt, den Dienst anzutreten. Im Auslande darf ein Schiffsmann, der aus