Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

654 Seeprotest. 
und da dergleichen bloße einseitige Proteste des Schiffers, wenigstens als Vor— 
bereitung der ordentlichen Verklarung („vorläufiger Protest“) vor, welche 
freilich als Beweismittel nur gegen den Schiffer wirken können. Das Allg. Deutsche 
HGB. kennt nur die wirkliche Verklarung und verpflichtet zu deren unverzüg— 
lichen Ablegung am ersten geeigneten Orte hinsichtlich aller wirklich eingetretenen 
Unfälle, sie mögen den Verlust oder die Beschädigung des Schiffs oder der Ladung, 
das Einlaufen in einen Nothhafen oder einen sonstigen Nachtheil zur Folge haben. 
Die Ablegung geschieht unter Zugiehung der (zur Mitwirkung bei der Verklarung 
verpflichteten) Schiffsbesatzung, welche der Schiffer zu diesem Zwecke vollständig 
oder doch in genügender Angahl zu gestellen hat. Bezüglich des Inhalts ist be- 
stimmt, daß die Verklarung einen Bericht über die erheblichen Begebenheiten der 
Reise, namentlich eine vollständige und deutliche Erzählung der erlittenen Unfälle 
unter Angabe der dagegen angewendeten Mittel enthalten soll. Innerhalb des 
Gebiets des H#B. ist die Verklarung „bei dem zuständigen Gericht“ 
(in Preußen dem Amtsgericht) anzumelden und abzulegen. Für das Verfahren 
des letzteren bestehen gewisse Vorschriften: Der Termin zur Vernehmung wird 
vorher je nach den Umständen öffentlich bekannt gemacht; die Interessenten 
können der Ablegung der Verklarung beiwohnen; letztere geschieht auf der Grund- 
lage des von dem Schiffer schon bei der Anmeldung vorzulegenden Journals; 
dem Richter steht es zu, dem Schiffer und den Schiffsleuten einzelne Fragen vor- 
zulegen, auch Personen der Schiffsmannschaft abzuhören, welche der Schiffer nicht 
dazu ausgewählt hat (während im Allgemeinen die Verklarung nicht als ein Komplex 
von Zeugenaussagen, sondern als freiwillige Gesammterklärung gilt); die 
Abgehörten haben ihre Aussagen zu beschwören; die Urschrift der Verhandlung 
wird aufbewahrt; beglaubigte Abschriften sind jedem Betheiligten auf Verlangen zu 
ertheilen. Darüber, in welchen Formen und vor wem die Verklarung im Aus- 
lande abzulegen sei, ist nichts bestimmt. Es genügt also im Allgemeinen die Form 
des Ortes der Ablegung (locus regit actum). Nach dem Konsulatsgesetz des Deutschen 
Reichs können jedoch die Konfuln des Reichs Verklarungen aufnehmen, selbst 
wenn sie nicht vom Reichskanzler zur Abhörung von Zeugen und Abnahme von 
Eiden ermächtigt sind. Die Vorschriften des HGB. über die Beweiskraft der in 
den gesetzlichen Fällen gerichtlich nach den Vorschriften desselben aufgenommenen 
Verklarung, sowie der in Art. 888 bezeichneten Beläge sind zwar, als mit dem in 
der CPO. enthaltenen Grundsatze der freien Beweiswürdigung unvereinbar, aufgehoben. 
Indessen behalten nicht nur die das Verfahren betreffenden Bestimmungen ihre volle 
Bedeutung, sondern es wird auch eine gehörig aufgenommene Verklarung in der Regel 
die dadurch beurkundeten Begebenheiten der Reise beweisen (für und gegen den Schiffer 
und die, welche für diesen verantwortlich sind, z. B. die Rheder). Selbstverständlich 
ist dabei vorausgesetzt, daß die Aussagen des Schiffers und der Mannschaft in den 
wesentlichen Punkten unter sich und mit dem Journal im Einklang stehen. Nicht 
nur durch den Nachweis von Widersprüchen und anderen die Unglanbwürdigkeit der 
Verklarung ergebenden Thatsachen, sondern auch durch den Beweis des Gegen- 
theils der durch die Verklarung beurkundeten Umstände können die Betheiligten 
die Beweiskraft der Verklarung entkräften. Selbst eine nochmalige eidliche 
Vernehmung der bei der Verklarung beeidigten Personen ist nicht ausgeschlossen. 
Andererseits ist auch dem Schiffer eine nachträgliche Aufklärung dunkel gebliebener 
Thatsachen, bzw. die nachträgliche Bekundung später eingetretener oder bekannt ge- 
wordener Thatsachen („Nachverklarung“) nicht zu verwehren. — In Frankreich, 
Holland und selbst in England (wo ebenfalls eine gesetzliche Beweiskraft der Ver- 
klarung nicht anerkannt wird) ist der Gebrauch des S. noch ausgedehnter. Nach 
dem Code de comm. hat der Kapitän in jedem Hafen binnen 24 Stunden auf der 
Gerichtsschreiberei vor dem Präsidenten des Handelsgerichts, eventuell dem Friedens- 
richter des Bezirks, im Auslande vor dem Französischen Konsul seinen rapport zu
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.