Seevbersicherung. 661
derung und sonstiger Gewaltthätigkeiten („Revier= und Türkengefahr“, in der Nieder-
ländischen Verordnung von 1549 „thegens de Schotten oft ander zeeroovers“),
nach Deutschem Seerecht auch die Gefahr der Baratterie (Unredlichkeit oder sonstiges
Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung selbst (während das Französische und
Spanische Recht diesen Haftfall ausschließt, das Englische, Holländische und Nord-
amerikanische Recht ihn eingeschränkt annehmen), ferner gewisse Gefahren des Arrestes
und der Verbodmung. Die Gesetzgebung umgrenzt den Umfang der Gefahr und
die folgeweise vom Versicherer übernommene Zahlungspflicht eingehend für die ein-
zelnen Fälle der S. Vgl. Art. 824— 857 des Allg. Deutschen H#G#B.; über
Umfang des Schadens s. Art. 858—885, über Bezahlung des Schadens Art. 886
bis 898.
Eine seerechtliche Eigenthümlichkeit findet sich im Falle eines präsumtiven oder
fiktiven Totalverlustes, nämlich der Abandon bei Verschollenheit oder Quasiverschollen-
heit eines Schiffes. Bereits ehe das Schicksal eines versicherten Schiffes definitiv
zur Kenntniß der Versicherungsinteressenten gelangt ist, kann die Versicherungssumme
fällig werden; der Versicherte ist nämlich befugt, die Zahlung der Versicherungs-
summe zum vollen Betrage gegen Abtretung (Abandonnirung) der in Betreff
des versicherten Gegenstandes ihm zustehenden Rechte in folgenden Fällen zu ver-
langen (Abandon):
1) wenn das Schiff verschollen ist (wann dies angenommen werden dürfe,
wird in gesetzlichen Bestimmungen genau angegeben), und
2) wenn der Gegenstand der Versicherung dadurch bedroht ist, daß das Schiff
oder die Güter unter Embargo gelegt, von einer kriegführenden Macht aufgebracht,
auf andere Weise durch Verfügung von hoher Hand angehalten oder durch See-
räuber genommen und während einer Frist von sechs, neun oder zwölf Monaten
nicht freigegeben sind, je nachdem die Aufbringung, Anhaltung oder Nehmung ge-
schehen ist:
a) in einem europäischen Hafen oder in einem europäischen Meere oder in einem,
wenn auch nicht zu Europa gehörenden Theile des Mittelländischen, Schwarzen oder
Asow'schen Meeres, oder
b) in einem anderen Gewässer, jedoch diesseit des Vorgebirges der Guten Hoff-
nung und des Kap Horn, oder
Jc) in einem Gewässer jenseit des einen jener Vorgebirge.
Die Fristen werden von dem Tag an berechnet, an welchem dem Versicherer
der Unfall durch den Versicherten angezeigt ist.
Die Abandonerklärung muß gewissen gesetzlichen Erfordernissen entsprechen (Allg.
Deutsches H#G #. Art. 868 ff.) und ist unwiderruflich.
Der Versicherte hat, um den Ersatz eines Schadens fordern zu können, eine
Schadensberechnung („Andienung des Schadens") dem Versicherer mitzutheilen; „der
Schade muß dem Versicherer sofort angedient werden“ (vgl. Entsch. des ROHG.
Bd. XIV. S. 122 ff.); die Berechnung muß mit gesetzlich erforderten Belägen ver-
sehen sein, über deren Beweiskraft nunmehr im Deutschen Reiche (nach Aufhebung
des Art. 889 des Allg. Deutschen H#. durch § 18 des EcG. zur CPO.) das
freie richterliche Ermessen entscheidet.
Eigenthümlich sind die Folgen der Thatsache, daß das versicherte Objekt gar
nicht der Gefahr ausgesetzt wird, im Falle der Ristornirung. Unterbleibt nämlich
die policemäßige Reise gänzlich, wird die Unternehmung, auf welche die Versicherung
sich bezieht, ganz oder zum Theil von dem Versicherten aufgegeben, oder wird ohne
sein Zuthun die versicherte Sache ganz oder ein Theil derselben der von dem Ver-
sicherer übernommenen Gefahr nicht ausgesetzt, so kann die Prämie ganz oder zu
dem verhältnißmäßigen Theil bis auf eine dem Versicherer gebührende Vergütung
zurückgefordert oder einbehalten werden (Ristorno).