Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

* Selbsthülfeverkauf. 665 
weise Privatstrafen nach sich. So nach dem „decretum divi Marci“ des Röm. 
Rechts. Hinsichtlich dessen heutiger Anwendbarkeit vgl. den Art. über dasselbe. 
Mit Unrecht hat man angenommen, daß die Strafen dieses Gesetzes durch das E. 
zum RStraf GB. ausgeschlossen worden seien. Unter Umständen zieht die aggressive 
S. öffentliche Strafen nach sich. Hinsichtlich derselben sind verschiedene Systeme 
zur Anwendung gelangt. 
Einige Gesetzgebungen (Baden 279, Württemberg 200; vgl. Sachsen 247) 
nämlich behandelten die S. als ein selbständiges Delikt. Als dessen Gegenstand 
ist das Interesse an der geordneten Verwirklichung des Rechts zu betrachten. Die 
gewählten Mittel kommen hier, je nachdem sie den Formen schwererer oder leichterer 
Delikte entsprechen, als Straferhöhungs= oder Strafminderungsgründe in Betracht. 
Dies Verfahren ist prinzipiell korrekt. Man hat jedoch dagegen geltend gemacht, 
daß es manche Fälle in das Bereich des Strafrechts hineinziehe, bezüglich welcher 
ein praktisches Bedürfniß hierzu nicht vorliege. Mit Rücksicht auf diesen Einwand 
hat man das fragliche Delikt unter die „Antragsverbrechen“ eingereiht, damit aber 
ein Auskunftsmittel gewählt, das mit der Natur des unmittelbar gegen ein öffent- 
liches Interesse gerichteten Delikts nicht im Einklang zu stehen scheint. 
Andere Gesetzgebungen kennen die S. als eine besondere Verbrechensart nicht. 
Sie überlassen es dem Richter, die Strafbestimmungen über andere Delikte zur 
Anwendung zu bringen, falls die S. im einzelnen Falle deren Merkmale annimmt. 
Zeigt sie solche Merkmale nicht, so bleibt sie straflos. Diesen Gesetzgebungen hat 
sich unser RStraf GB. angeschlossen. Nach ihm kann z. B. unter Umständen Dieb- 
stahl vorliegen (s. hierüber den Art. Diebstahl). Zahlreiche Formen der aggressiven 
S. aber bleiben nach ihm straflos. So die eigenmächtige Realisirung von Rechts- 
ansprüchen in den Formen der Erpressung oder des Betrugs, oder durch Entwendung, 
Unterschlagung oder Raub des Gegenstandes der Forderung. Uebrigens ist das 
Verhalten des Straf GB. hier nicht konsequent. Man hat sich bei der Herstellung 
desselbene über die uns beschäftigende Frage keine deutliche Rechenschaft gegeben. 
Allgemein fällt die S. unter das Strafgesetz, wenn sie sich unmittelbar gegen die 
Persönlichkeit richtet. Wer z. B. die Erfüllung einer Forderung durch Gewalt oder 
gefährliche Drohungen herbeiführt, macht sich des subsidiären Verbrechens gegen die 
Freiheit (RStraf GB. § 240) schuldig. Der Umstand, daß es sich um die Geltend- 
machung eines Rechts handelt, ist hierbei als ein Schuldminderungsgrund zu berück- 
sichtigen. Das Gleiche gilt in Bezug auf die Störungen des öffentlichen Friedens 
(Rötraf GB. 8§ 123 ff.) 2c 
Gsgb.: Rötraf G. 88 v, 52, 54, 113, 117, 240. — Lesterreich ** 82, 1# 81. — 
Ungarn 78, S1 ff — Preuß. Allg. LR. Einl. 88 77 ff.; Th. I. Tit. 14 § 
Lit it. zu den oben erwähnten Artikeln. . 
Selbsthülfeverkauf (so namentlich das ROG. und das Reichsgericht) oder 
Verkaufsselbsthülfe (so Thöl und Endemann). Ist der Käufer mit der Em- 
pfangnahme der Sache im Verzug, so entsteht daraus für den Verkäufer weder eine 
Befreiung von seiner Verbindlichkeit, noch ein Rücktrittsrecht; es kann für den Ver- 
käufer von Interesse sein, daß das obligatorische Verhältniß betr. die Aufbewahrung, 
Fürsorge für die Sache auch nicht in der loseren Weise fortbestehe, in welcher der 
Verzug des Käufers dasselbe fortdauern läßt (Mommsen, Mora, S. 306; Wind- 
a cheid, Pand., 4. Aufl. § 346); er will der Sache entledigt sein. Eine Klage 
auf Abnahme wird selten zustehen (Mommsen, Mora, S. 134, 307; Zeitschr. 
f. d. gesammte H.R. von Goldschmidt r2c. XXIII. S. 567). Das Gem. Recht 
gewährt dem Verkäufer drei Mittel: gerichtliche Niederlegung, Verkauf, Preisgeben 
der Sache (Windscheid, § 346). Wesentlich in Uebereinstimmung hiermit steht 
das Sächs. BG. 88 756 ff. 
Das Allg. Deutsche H#G#B. hat dieses Rechtsverhältniß für das Gebiet des 
Handelkaufes in Art. 343 selbständig gestaltet, und zwar dahin:
	        
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