686 Sinibaldus.
1) Wenn überhaupt gar kein Rechtsgeschäft gewollt ist, obgleich die Worte auf
ein solches lauten.
2) Wenn ein anderes, als das wörtlich ausgesprochene Rechtsgeschäft gewollt wird.
3) Wenn andere Personen Träger des Rechtsverhältnisses sein sollen, als worauf
die Worte der Willenserklärung lauten.
Für alle diese Fälle gilt die an die Spitze des Codextitels (IV. 22) aufgestellte
Regel: plus valere qducd agitur, quam quod simulate concipitur. Der Schein,
welcher durch die Erklärung hervorgerufen wurde, soll außer Acht gelassen und nur
die wahre Willensmeinung ermittelt werden. Es wird sich also in jedem einzelnen
Falle fragen, ob in der simulirten Erklärung nicht ein wirkliches von den Parteien
beabsichtigtes Geschäft verborgen sei. Dieses gilt alsdann, wenn es nicht durch das
Gesetz verboten ist. Unter diesen Voraussetzungen ist der Zweck, welcher mit der S.
verbunden und sehr mannigfach sein kann, ohne weitere Bedeutung.
Selbstverständlich ist es, daß, wer durch die S. Schaden erlitten hat, Ersatz
desselben von den simulirenden Parteien, welche solidarisch verhaftet sind (1. 49 pr.
D. 18, 1), verlangen kann, während für die Simulanten aus der S. selbst gegen-
seitige Ansprüche nicht erwachsen. Ueberhaupt muß das simulirte Rechtsgeschäft gut-
gläubigen Dritten als echt gelten, sofern die Parteien solche Anstalten treffen, daß
ihre Willenserklärung dem Publikum gegenüber ernsthaft erscheint.
Die neueren Partikulargesetzgebungen weichen von den Römisch-rechtlichen Be-
stimmungen über die S. nicht ab; das Oesterr. BGB. und das Sächs. BG# sprechen
allgemein aus, daß das simulirte Geschäft nach denjenigen gesetzlichen Vorschriften
beurtheilt werden muß, denen es vermöge seiner wahren Beschaffenheit unterworfen
ist. Der Code civil handelt von der S. nur im Erbrecht; jede Verfügung zu
Gunsten eines Unfähigen soll nichtig sein, auch wenn sie in der Form eines lästigen
Vertrages oder in Vermittelung einer untergeschobenen Person erscheint. Zahlreicher
sind die Vorschriften, welche das Preuß. Allg. LR. über die S. von WMillens-
erklärungen überhaupt und bei Kaufgeschäften im Besondern giebt. Hervorzuheben
ist nur, daß namentlich gegen den Schein vermuthet wird, wenn sich Jemand in
Angelegenheiten seines Gewerbes oder Berufes geäußert hat und daß die S. aus den
Umständen klar erhellen soll, weswegen Koch (Kommentar, Anm. 65 zu I. 4 § 55)
den Beweis durch Eid ausschließt, eine Kontroverse, welche durch EG. zur CPO.
§ 14 Nr. 2 gegenstandslos geworden ist. Bestraft wird endlich der Abschluß simu-
lirter Kauf= und Tauschverträge zur Erlangung eines Darlehns bei einem Dritten.
Besonders hervorgehoben wird die Anfechtung simulirter Rechtsgeschäfte durch die
Gläubiger innerhalb und Ghußerhald des Konkurses.
Quellen: Tit. Cod. 22. — Oesterr. BGB. 8 216. — Code civil art. 911. —
Sächs. B##B. ð8 6i. –4 Allg. LR. I. 4 §§ 52—56; I. 11 §§g 70—74. — Preuß. Publi-
kandum vom 20. Februar 1802 (Nov. Corp. Const. XI. n r. 14 46 1802 bei Koch,
Komment., Anm. 46 zu I. 11 §72 und Rehbein-Reincke, LR., 1880, S. 410). Prauß
KO. vom 8. Mai 1855 §§ 99—112. — Preuß, Gesetz vom 9. Mai 1855. — R. 82
Nr. 1. — RGes. v. 21. Juli 1879 (R.G. Bl. S. 277) § 3 Nr. 1.
Lit.: v. Savigny, System, III. S. 259 f. — Iheri ing, Jahrb. f. Dogm., IV. S. 74,
75; Derf elbe, Geist des Römischen Rechts, II. 1869, S. 52 ff.; III. 1865, S. 259 1
265 ff. — Kohler, Jahrb. f. Dogmatik, XVI. S. 113 ff. Kayser.
Sinibaldus Fliscus (Papst Innocenz IV. 1243—54), aus Genua, be-
kämpfte die Kaiser Friedrich II. und Konrad IV., floh 1244 nach Lyon, wo er auf
einer Kirchenversammlung den Bann und die Absetzung über Friedrich II. aussprach,
stellte Heinrich Raspe als Gegenkönig auf, kehrte 1251 nach Rom zurück, versuchte
vergeblich die Griechische Kirche mit der Römischen zu vereinigen, J 7. XII. 1254.
„Pater et organum veritatis.“
Er schrieb: Comm. in 5 libr. Decretalium, Strassb. 1477; Lugd. 1525; Venet. 1481,
1491, 1495, 1570. — Apologeticus contra Petr. de Vineis. — Tract de hexceptionibus.