Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Solidarbbligation und Korrealobligation. 699 
HObl.. Art. 11 ff.) oder des „Gesammtschuldverhältnisses“ (Sächs. BGB. 8§ 1019 ff.) 
auf. Die gemeinrechtliche Konstruktion des Rechtsverhältnisses wird im Allgemeinen 
festgehalten, indem z. B. die einen sich für die gemeinrechtliche Präsumtion getheilter 
Haftung bei Verträgen (Coder Maxim. IV. 1, 21, 6; Oesterr. BG. § 888; 
Code civil art. 1202), die anderen sich gegen dieselbe (Allg. LR. I. 5 8§ 424, 425) 
erklären, indem sie die Unterbrechung der Klagverjährung entweder für alle Be- 
theiligten (Code civil art. 1199, 1206, 2249, mit Modifikation Allg. LR. I. 9 9.577) 
oder nur subjektiv wirken lassen (Sächs. BGB. § 1035), indem sie den Satz: 
alterius factum alteri quoque nocet entweder anerkennen (Codex Maxim. IV. 1, 
21, 4, mit Modifikation Code civil art. 1205, 1207) oder nicht (Allg. LR. I. 5 § 438; 
Oesterr. BGB. § 894; Sächs. BGB. 8§§ 1025, 1316). Allgemein ist ferner 
die Konzentrirung der Obligation eines einzelnen Schuldners gegenüber demjenigen 
Gläubiger, der ihn belangt, aber ohne daß dadurch die anderen Mitschuldner frei 
würden (Coder Maxim. IV. 1, 22; Code civil 1198, 1; Oesterr. BG. 8§ 891, 
892; Sächs. BGB. 8§ 1023, 1024; Schweiz. Entw. 19), und ebenso allgemein 
ist die Beseitigung des beneficium excussionis und divisionis (Codex Maxim. IV. 
1, 23; Allg. LR. I. 5 §§ 430—33; Code civil art. 1203, 1204, s. aber 1210—12; 
Oesterr. BGB. §§ 891, 1359; Sächs. BGB. § 1024; Schweiz. Entw. 12). 
Dagegen enthält es eine wesentliche Abweichung von der gemeinrechtlichen Auf- 
fassung, wenn das Preuß. LR. und der Code civil zwischen der aktiven und der 
passiven Seite der Gesammtobligation scharf unterscheiden und beiden eine verschiedene 
Art der rechtlichen Behandlung zu Theil werden lassen, indem sie z. B. manchen 
der vorhin angegebenen Grundsätze nur für die Mitverpflichteten aufstellen. Hierher 
ist auch der Umstand zu rechnen, daß die beiden genannten Gesetzgebungen (Allg. 
LR. I. 5 §445; Code civil art. 1213, 1214, 1216) im Anschluß an andere (Codex 
Maxim. IV. 1, 22. 23 i. f.; Oesterr. BG. § 896; Schweiz. Entw. 17) ein 
Regreßrecht der Gesammtschuldner jedenfalls anerkennen, selbst dann, wenn das unter 
den correi bestehende Rechtsverhältniß eine Regreßberechtigung nicht ergiebt (anders 
Sächs. BGB. 8§ 1036, 1495). Das Preußische Recht zeichnet sich insbesondere 
durch eine merkwürdige Auffassung des Gläubigerverhältnisses aus, indem es an- 
nimmt, daß die Mitberechtigten die gemeinsamen Befugnisse auch nur gemeinsam 
ausüben können, daß also die Handlungen eines Einzelnen den Uebrigen in keiner 
Weise präjudiziren und der Schuldner sich durch Zahlung an den Einzelnen keines- 
wegs von den Andern befreie, sondern nur in die Rechte des Befriedigten gegenüber 
den Mitgläubigern eintrete (Allg. LR. I. 5 8§ 450—52; vgl. auch bezüglich Nova- 
tion I. 16 §§ 459, 460). Erst die Preußische Praxis hat diesen Grundsatz in seinen 
Konsequenzen etwas gemildert (sK. Dernburg, Preuß. Priv.R., II. § 51 a. E.). 
Die Entstehungsgründe der Gesammtobligation sind nach den meisten modernen 
Gesetzgebungen Vertrag und gesetzliche Vorschrift, unter die letztere fallen meist auch 
gemeinsame Delikte (Coder Maxim. IV. 1, 21, 7; Oesterr. BGB. 88 891, 892, 
550, 820, 821, 1203, 1302, 1352, 1357, 1359; Sächs. BGB. 88 777, 1020, 
1021; Schweiz. Entw. 20); aber das Preußische Recht kennt nur aus Verträgen 
entstehende Korrealverhältnisse, freilich auch aus Realkontrakten entstehende (Allg. 
LR. I. 14 § 59) und ebenso entsteht nach Französischem Recht die solidarité entre 
les créanciers nur durch Vertrag (Code civil art. 1197), während es für die solidarité 
de la part des debiteurs bestritten ist, ob dieselbe, abgesehen von Vertrag und Ge- 
setz (Tode civil art. 1202), auch durch gemeinsames Delikt begründet werde, wofür 
Code pénal art. 55 zu sprechen schiene. 
Das moderne Deutsche Reichsrecht hat eine Reihe von „solidarischen“ Ver- 
bindlichkeiten geschaffen, ohne sich über die Art dieser Solidarität weiter zu erklären; 
diese Fälle stellen also gesetzlich begründete Gesammtschuldverhältnisse dar. Dahin 
gehören: H G. Art. 112, 113, 173. 3, 178, 204, 241, 245. 4, 247 N. 3, 248. 
3, 257, 269. 2, 280; W0O. Art. 81, 98 N. 10 vgl. 49; Genoff.Ges. v. 4. Juli 1868
	        
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