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ferner Hänel, a. a. O. S. 194 ff., und Löning in Hirth's Annalen 1875,
S. 337 ff.). Nicht zu verwechseln mit diesen S. (jura singularia) sind diejenigen
Rechte (jura singulorum) der einzelnen Staaten, welche in den Bündnißvertrag
nicht mit inbegriffen, sondern den Staaten ungeschmälert verblieben sind. Diese
jura singulorum sind keine S.; denn die letzteren lassen sich nur insoweit denken,
als eine Mitgliedschaft der einzelnen Staaten gegenüber dem Bundesstaat besteht.
Sie setzen das Vorhandensein einer Gemeinschaft voraus, während die jura singulorum
gerade da ihren Anfang nehmen, wo die Gemeinschaft endigt. — Eine nicht minder
hervorragende Bedeutung haben endlich die S. neuerdings auf dem Gebiete des
Privatrechts, und zwar in dem Recht der Aktiengesellschaften erlangt. Die Aktien—
gesellschaft ist unter den modernen Erwerbsgenossenschaften vorläufig die am meisten
ausgebildete. Ihrer rechtlichen Natur nach ist sie eine Korporation; daher greifen
bei ihr hinsichtlich der Stellung der einzelnen Aktionäre ganz ähnliche Grundsätze
Platz, wie nach den oben citirten Worten Laband's bei der staatsrechtlichen
Korporation des Deutschen Reiches hinsichtlich der einzelnen Bundesstaaten. Auch
die Rechte der Aktionäre muß man unterscheiden in Mitgliedschaftsrechte und S.
Man kann die letzteren definiren als „diejenigen Rechte des einzelnen Aktionärs
gegenüber der Aktiengesellschaft oder in derselben, hinsichtlich deren er dem Willen
der Gesellschaftsorgane nicht unterworfen ist.“ Das Deutsche HGB. erwähnt die
S. nicht; nur indirekt folgt ihre Anerkennung aus Art. 224, insofern darin gesagt
ist, daß die Rechte, welche den Aktionären „in Angelegenheiten der Gesellschaft“ zu-
stehen, von der Gesammtheit derselben in der Generalversammlung ausgeübt werden.
Hieraus ist zu folgern, daß auch solche Rechte des Aktionärs als bestehend angesehen
werden, welche ihm nicht „in Angelegenheiten der Gesellschaft“ zustehen, und über
die mithin der Generalversammlung kein Verfügungsrecht eingeräumt ist. Die
neueren Versuche, den Rechtscharakter der S. bei Korporationen im Allgemeinen zu
bestimmen, bieten zur genauen Erklärung der S. bei Aktiengesellschaften kein aus-
reichendes Material (vgl. in dieser Beziehung v. Langenn und Kori, Erörterungen,
Bd. II. S. 1 ff. und Stobbe, Handbuch des Deutschen Privatrechts, Leipzig
1870, Bd. I. S. 351 ff.). Klassifikationen der S. der Aktiengesellschaften sind
unternommen worden von Laband (vbergl. den oben citirten Aufsatz in Hirth'’s
Annalen von 1874, Abschn. 3) und von Thöl (Handelsrecht, 5. Aufl., Leipzig
1875, Bd. I. § 161). Um den rechtlichen Inhalt der einzelnen S. bei den Aktien-
gesellschaften zu erfassen, ist es nöthig, die verschiedenen Ursachen ihrer Entstehung
als Unterscheidungsmittel zu wählen. Danach trennen sich die S. ganz analog
jener oben für das Deutsche Staatsrecht als maßgebend erachteten Unterscheidungen
in solche, welche das Statut bzw. der Vertrag ausdrücklich konstituirt, und in solche,
welche sich, ohne ausdrücklich ausgesprochen zu sein, aus der Natur der Aktiengesell-
schaften von selbst ergeben. Zu den ersteren zählen hauptsächlich diejenigen Rechte,
welche gewissen Aktien vertragsmäßig gegenüber der Gesammtheit verliehen find;
die vornehmste Gruppe derselben sind die sog. Prioritätsaktien. Nicht zu dieser
Klasse zählen die Gründervorrechte. Zwar sind auch sie durch das Statut ausdrücklich
eingeräumt; aber die Berechtigten sind nicht nothwendigerweise Aktionäre; und ein
S. muß immer zugleich ein Aktionärrecht sein. Diejenigen S., welche nicht aus-
drücklich im Statut ausgesprochen zu sein brauchen, lassen sich in zwei Klassen unter-
scheiden, nämlich gemäß der oben gegebenen Definition in Rechte in der Gesellschaft
und Rechte gegenüber der Gesellschaft. Die ersteren folgen aus der Befugniß des
Aktionärs, in der Generalversammlung an der Verwaltung der Gesfellschaft Theil zu
nehmen, und in dieser Eigenschaft zu verlangen, daß das Gesellschaftsorgan der
Generalversammlung sich gemäß Statut und Gesetz verhalte. Die anderen praktisch
wichtigsten, vornehmlich vermögensrechtlichen Inhalts, umfassen diejenigen jura
duaesita (in der Praxis meistens „Individualrechte“ genannt), welche aus dem
seitens des ersten Zeichners geschlossenen Zeichnungsvertrage zu seinen Gunsten her-