Staatsangehörigkeit — Staatsanleihen. 729
senden.) In die Urne werden die Namen aller noch auf der Jahresliste befindlichen
Personen gelegt; der Präsident zieht das Loos, und verliest die Namen der Gezogenen.
Mit der Ausloosung wird so lange fortgefahren, bis die Liste auf die gesetzliche Zahl
(30 in Deutschland, 36 in Oesterreich) gebracht ist. (In Oesterreich wird gleich-
zeitig eine Liste von 9 Ergänzungsgeschworenen auf gleiche Weise gebildet, — s. d.
Art. Hülfsgeschworenen). Da der Angeklagte bei der Bildung der Geschworenen-
bank durch Ausübung des Ablehnungsrechtes (s. d. Art. Ablehnung der Ge-
schworeneng sich betheiligen soll, ist es nothwendig, daß ihm die Spruchliste zugänglich
gemacht wird. Nach §277 der Deutschen StrafP O. muß ihm dieselbe „vor dem Tage, an
welchem die Hauptverhandlung beginnen soll“, zugestellt werden, wenn er sich nicht
auf freiem Fuße befindet, außerdem muß sie auf der Gerichtsschreiberei zur Einsicht
für ihn niedergelegt werden. Veränderungen der Spruchliste, die später eintreten
(6 277 Abs. 2, § 279 Abs. 2, § 280 Abs. 2 u. 3), müssen ihm ebenfalls mitgetheilt
werden. Die Unterlassung solcher Mittheilungen und wesentliche Unrichtigkeiten der-
selben (außerordentlich reiche Casuistik hierüber bietet das Französische Recht, s. Hélie
VIII. 347 ff.) geben dem Angeklagten ein Recht aus Aussetzung der Hauptverhand-
lung; konnte er, weil die Unrichtigkeit nicht rechtzeitig entdeckt wurde, dieses Recht
nicht ausüben, so ist das Urtheil anfechtbar. — Nach § 303 der Oesterr. Straf P O.
sind die Namen der Haupt= und Ergänzungsgeschworenen jedem Angeklagten bei
sonstiger Nichtigkeit spätestens am dritten Tage vor demjenigen, an welchem die Haupt-
verhandlung beginnen soll, mitzutheilen.
Lit. u. Gsgb.: S. den Art. Geschworene. Glaser.
Staatsangehörigkeit, s. Reichs= und Staatsangehörigkeit.
Staatsanleihen. (Allgemeines.) Der Begriff der „Staatsanleihe“, welcher
ebenso sehr auf dem Gebiet der Volkswirthschaft wie auf dem Rechtsgebiet seine
wichtige Bedeutung hat, ist kein fest begrenzter. Geht man von der neuerdings ge-
machten Unterscheidung zwischen Verwaltungsschulden und Finanzschulden
des Staats aus, so begründet die S. regelmäßig eine Finanzschuld. Als solche er-
scheinen z. B. auch die sog. Schatzanweisungen jedenfalls in rechtlicher Beziehung,
während dieselben wirthschaftlich den Charakter einer Verwaltungsschuld haben.
Unter S. ist im Allgemeinen jede Benutzung des Staatskredits zu verstehen,
welche darauf abzielt, außer und neben den regelmäßigen Staatseinnahmen der
Staatsverwaltung Geldmittel zu verschaffen. Auf den besonderen Verwendungszweck
der Geldmittel kommt es für den Begriff der S. ebensowenig an, wie auf die privat-
rechtliche Form, in welcher sich die Kreditoperation vollzieht und welche eine sehr
verschiedene sein kann. Die Staatsanleihe kann in der Form eines privatrechtlichen
Darlehns, einer Wechselbegebung, eines Rentenverkaufs, einer Kreirung und Ausgabe
von Werthzeichen, eines Verkaufs von Obligationen u. s. w. erfolgen. Es haben
sich jedoch gewisse, der Natur und dem Zweck der S. besonders entsprechende Formen
der Kontrahirung und der Verwaltung derselben ausgebildet. Von diesen besonderen
Arten der S. wird in Folgendem vorzugsweise die Rede sein.
(Volkswirthschaftliches.) Nach der volkswirthschaftlichen Seite der
S. entsteht in erster Linie die Frage: in welchen Fällen der Staat dazu greifen
darf, seine Geldbedürfnisse durch eine Staatsanleihe zu befriedigen. In der Theorie
herrscht hierüber wenig Einverständniß. Der Werth der dafür aufgestellten Regeln
ist nur ein relativer. Dieselben werden den berufenen Faktoren jedoch zum Anhalt
dienen, um gewissen durch die Erfahrung als gefährlich erkannten Ausschreitungen
in der Benutzung des Staatskredits vorzubeugen.
Man kann dem allgemeinen Satz zustimmen, daß der Staat zur Erhebung von
Anleihen schreitet, wenn er Kapitale zur Erweiterung oder zur dauernden Erhaltung
des stehenden Nationalkapitals gebraucht (Dietzel). Es würden danach die regel-