Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

734 Staatsanleihen. 
vom 30. April 1874, betr. die Ausgabe von Reichskassenscheinen, die Papiergeldfrage 
geregelt, und zwar unter Beseitigung des Papiergeldes der Einzelstaaten. Der Ge- 
sammtbetrag der Reichskassenscheine von 120 Millionen Mark ist nach dem Maßstab 
der Bevölkerung unter die Bundesstaaten vertheilt. Die Reichskassenscheine sind von 
allen Kassen des Reichs und der Bundesstaaten in Zahlung zu nehmen, eine 
Pflicht zur bloßen Einlösung (Umtausch) hat nur die Reichshauptkasse. Der Privat- 
mann ist zur Annahme von Reichskassenscheinen bei Zahlungen nicht verpflichtet. 
Endlich unterscheidet man freiwillige (im weiteren Sinne) und Zwangs- 
Anleihen. Letztere sind ihrer Entstehung nach eine Art der Besteuerung, ihrer 
Wirkung und Verwaltung nach stehen sie anderen Anleihen gleich. Als ein ganz 
außergewöhnliches Mittel der Kreditbenutzung erfolgt die Aufnahme derselben jedesmal 
unter besonderen, den Umständen angepaßten Bedingungen. — Als Zwangsanleihe 
charakterisirt sich virtuell auch die Ausgabe von uneinlösbarem Staatspapiergeld mit 
Zwangskurs. 
Als typische Formen, in welchen die neueren Staaten ihre Anleihen kontrahiren, 
erscheinen folgende: 
1) Schatzanweisungen (bons du Trésor public; exchequer bez. treasury 
bills). Dieselben enthalten das Versprechen der Zahlung einer bestimmten Summe 
zu einer bestimmten (kürzeren) Zeit. Sie werden verzinslich und unverzinslich und 
in der Regel auf größere Beträge (100 Mark, 500 Francs, 100 „) ausgefertigt. 
An der Börse werden dieselben wie Wechsel gehandelt und al pari (zusätzlich der 
Zinsen) unter Abzug des jeweiligen Diskonto's begeben. Aus praktischen Gründen 
empfiehlt sich die unverzinsliche Ausgabe. 
Schatzanweisungen dienen zur Antizipirung von Einnahmen, und zwar sowol 
ordentlicher wie außerordentlicher. In der Regel werden dieselben zur Ausgleichung 
der unregelmäßig eingehenden Einnahmen bzw. zu leistenden Ausgaben, — zur 
vorübergehenden Verstärkung der Betriebsfonds — benutzt. In dieser Gestalt er- 
scheinen dieselben neuerdings alljährlich in den Etatsgesetzen des Reiches und in 
Preußen. Aber auch zur Hinausschiebung von fundirten Anleihen auf eine für die 
Aufnahme derselben oder die Begebung von Theilbeträgen derselben günstigere Zeit 
werden Schatzanweisungen angewendet. Die Anleihegesetze des Deutschen Reiches 
gewähren deshalb der Verwaltung regelmäßig die Befugniß zur Beschaffung der 
erforderlichen Summen, eine Anleihe aufzunehmen und Schatzanweisungen auszugeben. 
In Preußen erfolgte die Ausgabe von Schatzanweisungen zuerst auf Grund des 
Gesetzes vom 28. Septbr. 1866, im Reich auf Grund des Gesetzes vom 9. Novbr. 
1867. Die vom Deutschen Reich ausgegebenen Schatzanweisungen haben 
folgendes Formular: 
Vorderseite. 
Schat-Anweisung Fällig am zwanzigsten Oktober 1880. Ser. IX. Lit. A. Nr. 00. 
Deutschen Reiches Unverzinsliche Schatz-Anweisung des Deutschen Reiches. 
über Gesetz, betr. die Feststellung des Reichshaushalts-Etats für das Etatsjahr 
000 Mark 1880/81, vom 26. März 1880, § 3. 
—l“— Die Königlich Preußische Staatsschulden-Tilgungskasse in 
Ser. IX. Lit. A. Berlin zahlt dem Inhaber dieser Schatz-Anweisung drei Monate 
  
Fol. 0. nach heute den Betrag von 
Nr. 00. 000 Mark, — 
Umlaufszeit vom in Worten: tausend Mark. S 
20. Juli bis Eingetragen Berlin, den zwanzigsten Juli 1880. 
20. Oktober 1880. Fol. 0 
Kontrole der Staatspapiere. 
Stammleiste. Reichsschulden -Verwaltung. Ausgefertigt. 
 
	        
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