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ob und wo nach den aus den Rechnungen zu beurtheilenden Ergebnissen der
Verwaltung zur Beförderung des Staatszweckes Abänderungen nöthig oder rath-
sam sind.
Werden die Rechnungen richtig befunden, so ertheilt die Oberrechnungskammer
den rechnungsführenden Beamten Quittung (Decharge). Stellen sich Vertretungen
der Rechnungsführer oder anderer Beamten heraus, deren Deckung durch die Notaten-
beantwortung nicht nachgewiesen wird, so hat die Oberrechnungskammer die weitere
Verfolgung, welche der vorgesetzten Behörde obliegt, nöthigenfalls durch Eintragung
in das Soll der Einnahmen anzuordnen (§ 17 des Preuß. Ges. vom 27. März
1872 und ähnlich der dem Reichstag vorgelegte Entwurf). Diese Bestimmung läßt
nicht klar erkennen, welche Stellung das Gesetz der Oberrechnungskammer gegenüber
den Verwaltungsbehörden — welche nicht Rechnungsleger sind — namentlich den an-
weisenden Beamten und besonders den Verwaltungschefs hat einräumen wollen. In
Frankreich gilt der Grundsatz, daß der oberste Rechnungshof sich in keiner Weise eine
Jurisdiktion über die anweisenden Beamten (ordonnateurs) beilegen kann. Der ent-
gegengesetzte Grundsatz würde, so segensreich auch eine Kontrole der Verwaltung bei
Gelegenheit der Rechnungsrevision sein mag, leicht zu Kollisionen und zu einer
Hemmung der Exekutive führen können. Das Richtige wird sein, wenn die Kontrole
der Verwaltung durch die Bemerkungen zur allgemeinen Rechnung und durch den
dem Könige zu erstattenden Geschäftsbericht geübt wird.
Die allgemeine Rechnung über den Staatshaushaltsetat, welche alljährlich dem
Landtage vorzulegen ist, hat nämlich die Oberrechnungskammer mit ihren Be-
merkungen zu begleiten, welche sich namentlich über etwaige Abweichungen von den
Bestimmungen des Etats oder der Titel der Spezialetats oder den damit verknüpften
Bemerkungen oder endlich von Finanzgesetzen überhaupt verbreiten. Auf Grund
dieses Materials spricht der Landtag die Entlastung der Staatsregierung aus oder
beanstandet dieselbe.
Endlich erstattet die Oberrechnungskammer alljährlich dem Könige Bericht über
die Ergebnisse ihrer Geschäftsthätigkeit, verbunden mit Vorschlägen darüber: ob und
inwieweit nach den aus den Rechnungen sich ergebenden Resultaten der Verwaltung
zur Beförderung der Staatszwecke Reformen nothwendig oder rathsam erscheinen.
In dieser Weise vollendet sich der Kreislauf der zur Ausführung des Staats-
haushaltsetats dienenden Operationen der S. —
Lit.: v. Rönne, Staatsrecht, 3. Aufl., Bd. II. 2 S. 722 ff. — Gneist, Verwaltung,
Justiz, Rechtsweg, § 30 S. 320. — Kieschke, Grundzüge zu einer zweckmäßigen Einrichtung
des Staatskassen= und Rechnungswesens, Berlin 1821. — Graaf, Handbuch des Etatskassen-
und Rechnungswesens, Berlin 1831. — Wer#furth, Das gesammte Preußische Etatskassen-
und Rechnungswesen, Berlin 1881. — Meißner, Die das Rechnungswesen des Preußischen
Staates umfassenden Gesetze und Verordnungen, Berlin 1878. — Laband, Das Finanzrecht
d. Deutschen Reichs (Girth's Annalen 1873, S. 523 ff.). — Czörnig, Darstellung der Ein-
richtungen über Budgete, Staatsrechung und Kontrole u. s. w., Wien 1866. — Fahrm-
bacher, Das Zahlungswesen der allgemeinen Finanzverwaltung in Bayern, Ansbach 1876.—
Hock, Finanzverwaltung Frankreichs, Stuttgart 1857, S. 85 ff. — M. Block, Diction-
haire de T’administration françaisc, s. v. Comptabilité publique. R.
Staatsrath. Der S. erscheint in den monarchischen Verfassungen Europa's
als die kollegialische Formation des höheren Berufsbeamtenthums zur stetigen Be-
rathung des Staatsoberhauptes in den höchsten Staatsangelegenheiten, zur Vor-
berathung der Gesetzentwürfe und Verordnungen, zur rechtlichen Begutachtung der
Verwaltungskonflikte und Beschwerden. Er ist die höchste Formation des
berufsmäßigen Beamtenthums und nur aus diesem heraus verständlich.
Schon in den ersten Anfängen unserer staatlichen Entwickelung haben die Ger-
manischen und Romanischen Völker einen Berufsstand für die humanen Aufgaben
und Kulturzwecke des Staates gebildet in der Hierarchie der Römischen Kirche. Auf
einer späteren Entwickelungsstufe bildet das weltliche Beamtenthum, Hand in Hand
mit der Rezeption eines neuen staatsbildenden Rechtes, einen Beamtenstand, dessen