758 Staatsrath.
In Frankreich dagegen erscheint das Conseil du Roi schon seit dem
15. Jahrhundert als der ständige Hauptkörper der Staatsregierung, mit welchem
das Königthum Stände und Parlamente überwindet. In das Conseil fällt die
Initiative der Gesetzgebung und das Verordnungsrecht des Königs, welches für die
zerrissene ständische Gesellschaft immer ausschließlicher die gesetzgebende Gewalt über-
nehmen muß. Diese zeitgemäße, stetig fortschreitende Verordnungsgewalt schiebt die
gesetzgebenden und steuerbewilligenden Stände allmählich ganz bei Seite, und giebt
der Vollziehungsgewalt die stetige Gestalt, in welcher sie die ständischen Sonderrechte
und Privilegien zu überwinden vermag. Eine abschließende Ordnung giebt das
Edikt vom 3. Jan. 1687, und es entsteht nun jener gewaltige Körper „tout à la
fois cour supréme de justice, tribunal supréème administratif, conseil du gouverne-
ment, qui discute et propose la plupart des lois, fixe et repartit I’impöt, établit
les regles générales, qui doivent diriger les agents du gouvernement“ (Tocque-
ville), — der stetige Körper einer durch Berufsbeamte geführten Staatsregierung. —
Im Kampf gegen das ancien régime hob die Revolution im Gesetz vom 25. Mai
1791 zwar den S. auf, und übertrug seine Funktionen auf den Ministerrath, zum
kleinen Theil auf den Kassationshof. Allein jeder durch ein Berufsbeamtenthum aus-
schließhlich verwaltete Staat bedarf dieser ständigen Formation für die Stetigkeit
seiner Verwaltungsordnung. Die Konsularverfassung stellt ihn wieder her, mit der
Befugniß „de rédiger les projets des lois et les réglements d’administration
politique, et de résoudre les difficultés, qui s'’élèvent en matière administrative“,
mit einer höchsten Kompetenz zur Interpretation der Verwaltungsgesetze, Entscheidung
der streitigen Verwaltungsfragen und der Konflikte zwischen Justiz und Verwaltung.
Alle Französischen Verfassungen sind auf diese Formation zurückgekommen, die zwar
gegen den. Willen eines Machthabers oder einer regierenden Partei ohne dauernde
Widerstandskraft, doch dem herrschenden System die Ordnung der Geschäfte, die
einheitliche Aktion der Organe gewährleistet. Das Conseil in seiner durch Dekret
vom 14. Jan. 1852 erneuten Gestalt besteht aus einem Präsidenten, 40—50 Staats-
räthen zum ordentlichen Dienst der 6 Sektionen, 18 Staatsräthen, welche keiner
Sektion zugetheilt sind, ungefähr 20 Mitgliedern im außerordentlichen Dienst,
40 Staatsrathsreferenten (mattres des requétes) und 80 Referenten (auditeurs).
Er vereinigt in sich die Verwaltungskapazitäten des Landes, wie der Kassationshof
die Justizkapazitäten, sogar auf Kosten des Ministerialsystems. Neben dem unver-
antwortlichen Conseil &état sinken die Minister zu blos ausführenden Departements-
leitern herab, das mittlere und niedere Beamtenthum zu geschickten Instrumenten, von
welchen eine prompte, taktvolle Vollziehung, aber keine Selbständigkeit des Gedankens
und Willens erwartet wird. Im Verhältniß zum Monarchen ist das Conseil d'état
als seine „pensée en délibération“, der Minister als die „pensée en exécution“
gedacht. Auch in den hbchsten Entscheidungen über die Kompetenzkonflikte giebt
dieser S. nur Gutachten, welche der Souverän bestätigen oder amendiren mag. Wie
in der Gerichtsverfassung sind es insbesondere die stets verschiebbaren Ab-
theilungen mit einem jährlich vorbehaltenen Wechsel, welche die Jurisdiktion
über das öffentliche Recht hier ebenso unselbständig machen, wie die Entscheidungen
der wechselnden Gerichtsabtheilungen. Auch die neue Republik hat das Conseil
d’état nicht zu entbehren vermocht, nunmehr aber die Stellung desselben als Ver-
waltungsgericht der ordentlichen Gerichtsverfassung assimilirt.
In Deutschland hat die S. bildung ähnliche Formen und Kompetenzen,
aber, wie das Beamtenthum selbst, einen verschiedenen Charakter entwickelt. In
Oesterreich, Kurbrandenburg und in den übrigen größeren Staaten gewinnt der
„Geheimrath“, „Hofrath“ und analoge ständige Körperschaften eine stetig wachsende
Bedeutung auf Kosten der verfallenden Landstände. Das reine Beamtenelement
verdrängt die Anfangs noch darin aufgenommenen ständischen Elemente. Am deut-