Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Staatsschulden. 761 
schied von Verwaltungs= und Finanzschulden hat nun aber auf die gesammte recht- 
liche Behandlung derselben den allerwesentlichsten Einfluß. Denn während die Ver- 
waltungsschulden eine Maßregel der Finanzverwaltung sind und durch die derselben 
innewohnende Verordnungsgewalt geschaffen, geordnet und getilgt werden, so sind 
dagegen die Finanzschulden ein Gegenstand der Gesetzgebung, sowol in Bezug auf 
Kontrahirung als in Bezug auf Verwaltung. Es verhält sich hinsichtlich der Ver- 
waltungs= und Finanzschulden in dieser Hinsicht ganz ähnlich, wie hinsichtlich des 
Verwaltungs= und Finanzvermögens in Bezug auf dessen Veräußerung; denn während 
jenes als Hülfsmittel bei Ausübung sonstiger Staatsfunktionen einseitig von der 
Verwaltung veräußert werden kann, die eben ihrem Schwerpunkte nach nicht beim 
Landtage liegen soll, so sind die Veräußerungen dieses, welches eine Einnahmegquelle 
bildet, im Prinzip an die Zustimmung des Landtages gebunden. Die in einigen 
Verfassungsurkunden ausdrücklich der Verwaltung beigelegte Befugniß zur Kontrahi- 
rung von Verwaltungsschulden (Baden, Weimar) versteht sich auch da von selbst, 
wo diese Befugniß wie in Preußen nicht ausdrücklich ausgesprochen ist. Die Ver- 
waltungsschulden scheiden mithin aus der Darstellung aus; zur Kontrahirung der- 
selben bedarf die Regierung keiner Autorisation, denn sie sind die unmittelbare Folge 
des Etatsgesetzes, und die Verwaltung dieser Schulden ist recht eigentlich die Auf- 
gabe der Finanzverwaltung. 
II. Arten der Finanzschulden. 1) Man unterscheidet zunächst die ver- 
zinsliche und die unverzinsliche S. Unter unverzinslicher S. versteht man die 
lediglich auf den Staatskredit fundirten Staatsnoten. Diese unverzinsliche Schuld 
bildeten bisher in Preußen die sog. Kassenanweisungen, die in Appoints von 1 Thlr. 
und 5 Thlr. von der Hauptverwaltung der S. ausgegeben wurden, deren Gesammt- 
betrag sich in Folge des Gesetzes vom 19. Mai 1851 auf 30 Millionen belief, 
durch Gesetz vom 7. Mai 1857 auf die Summe von 15 842 347 Thlr. reduzirt 
wurde, durch Einziehung des Kurhessischen und Nassauischen Papiergeldes aber wieder 
auf ca. 18 Millionen erhöht worden war. Die Kassenanweisungen mußten bei allen 
königlichen Kassen zum vollen Nennwerthe angenommen werden, hatten aber keinen 
Zwangskurs (vgl. über die Frage des Zwangskurses Voigtel, Das Geld und 
die Geldpapiere, in Hinschius“ Zeitschr. f. Gesetzgebung und Rechtspflege Bd. I. 
(1867) S. 445 ff.; Keyßner, Vom Preuß. Papiergelde a. a. O., Bd. II. (1868) 
S. 101 ff.; Hartmann, Ueber den rechtlichen Begriff des Geldes, Braunschweig 
1868, S. 97 ff.; v. Rönne, Staatsrecht, Bd. II. Abth. 2 S. 371). Die weitere 
Vermehrung alles einzelstaatlichen Papiergeldes ist dann reichsseitig durch das Gesetz 
vom 16. Juni 1870 insofern inhibirt worden, als vorgeschrieben wurde, daß bis 
zu definitiver reichsgesetzlicher Feststellung der Grundsätze über die Emission von 
Papiergeld (RVerf. Art. 4 Nr. 3) von den Bundesstaaten nur auf Grund eines 
auf den Antrag der betheiligten Landesregierung erlassenen Bundesgesetzes Papier- 
geld ausgegeben oder dessen Ausgabe gestattet werden dürfe. Das Münzgesetz vom 
9. Juli 1873 hat dann aber Art. 18 angeordnet, nicht blos, daß das von den 
einzelnen Bundesstaaten ausgegebene Papiergeld bis zum 1. Jan. 1876 einzuziehen 
und sechs Monate vor diesem Termine öffentlich aufzurufen sei, sondern auch daß 
nach Maßgabe eines zu erlassenden Reichsgesetzes eine Ausgabe von Reichspapier= 
geld stattfinden werde. Das Reichsgesetz, betr. die Ausgabe von Reichskassenscheinen, 
vom 30. April 1874 hat endlich bestimmt, daß Reichskassenscheine zum Gesammt- 
betrage von 120 Mill. Mark in Abschnitten zu 5, 20 und 50 Mark anzufertigen und, 
vorbehaltlich des in § 3 besonders geregelten Falles, unter die Bundesstaaten nach 
Maßgabe ihrer durch die Zählung vom 1. Dezbr. 1871 festgestellten Bevölkerung 
zu vertheilen seien, daß dagegen die Bundesstaaten das von ihnen seither ausgegebene 
Papiergeld spätestens bis zum 1. Juli 1875 zur Einlösung öffentlich aufzurufen 
und thunlichst schnell einzuziehen haben, und daß endlich die Reichskassenscheine bei 
allen Kassen des Reiches und sämmtlichen Bundesstaaten nach ihrem Nennwerthe in
	        
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