Polizeistrafverfahren. 71
unmittelbare Staatsbeamte verwaltet wird, werden die „Gehälter der von der
Staatsregierung angestellten Beamten“ vom Staat, die sonstigen P. von der Ge-
meinde getragen (während nach dem Gesetz vom 30. Mai 1820 die Gemeinden in
diesem Falle nur für die erforderlichen Lokalien zu sorgen hatten). Auf Grund
dieser Scheidung hat sich in Preußen eine umfangreiche Verwaltungsrechtsprechung
(früher durch Ministerialreskripte, jetzt auch durch die Verwaltungsgerichte) darüber
gebildet, welche Ausgaben zu den perfönlichen, welche zu den sachlichen P.
zu rechnen sind.
Das zähe Festhalten an der Patrimonialordnung des platten Landes und an
der Tragung der P. als städtische Gemeindelast im Osten Deutschlands hat übrigens
in ihrem endlichen Erfolg dahin gewirkt, die obrigkeitliche Ortsverwaltung in engem
Verband mit der Kommunalverwaltung zu belassen. Das Unhaltbare war nur die
Behandlung der polizeiobrigkeitlichen Rechte als iura patrimonil. Verwandelte man
diese Rechte in eine Pflicht der besitzenden Klassen der Gemeinde, diese Verwaltung
im Auftrage des Staats mit der vollen Verantwortlichkeit des öffentlichen Amts zu
übernehmen, so entwickelte sich aus der Verbindung der persönlichen Pflichten und
Kosten des Polizeiamtes mit dem Gemeindeverband ein überaus kräftiges System
obrigkeitlicher Selbstverwaltung. Ein solches ist demnächst aus der Preußischen Kreis-
ordnung von 1872 hervorgegangen und hat sich alsbald zu höheren, provinziellen
Organen der Selbstverwaltung weiter entwickelt, während die unter dem Einfluß
der Französischen Gesetzgebung geförderte Trennung des Polizeiamts und der P. vom
Gemeindeverband zwar eine bequeme, aber unselbständige und der höheren Entwicke-
lung unfähige Munizipalverfassung erzeugt hat. Das vielfach laut gewordene Be-
streben, die Kosten der Ortspolizei auf die Staatskasse zu übernehmen, beruht auf
einer kurzsichtigen Anschauung; denn die P. bilden einerseits nur einen sehr geringen
Bruchtheil der Gemeindeausgaben, im Vergleich mit der Armen-, Schul-, und Wege-
last, während sie als Gemeindelast andererseits unentbehrliche Grundlage für die
Selbständigkeit der Selbstverwaltungsorgane bleiben. Unter allen Institutionen
alterer Ordnung hat sich die Dezentralisation der kommunalen Lasten als das
konservativste Element bewährt, welches die Deutsche Staatsbildung vor einer über-
eilten Centralisation bewahrt hat.
Lit. fehlt, da der Kostenpunkt in den Darstellungen des Polizeirechts als Nebensache be-
handelt zu werden pflegt. Gneist.
Polizeistrafverfahren (Th. I. S. 957; vgl. auch die Art. Polizeiverord-
mungen, Polizeikosten). Unter P. ist zu verstehen: die Festsetzung einer Strafe
seitens der Polizeibehörden für Handlungen oder Unterlassungen, welche durch gesetzliche
Bestimmungen (im weitesten Sinne) allgemein und im Voraus mit Strafe bedroht
sind. Davon zu unterscheiden ist die Anwendung von Exekutivstrafen, d. h. Zwangs-
maßregeln, durch welche bestimmte Personen zu einer von den Verwaltungsbehörden
geforderten Leistung, Handlung oder Unterlassung genöthigt werden sollen (vgl.
den Art. Verwaltungsexekution). Während bezüglich dieses Verfahrens die
Landesgesetzgebung ausschließlich zuständig ist, kann sie ein P. nur innerhalb der
reichsgesetzlich bestimmten Grenzen (§ 453 ff. der StrafP O.) anordnen und regeln.
Die Polizei ist aus der Gerichtsverwaltung erwachsen und bei der Trennung
der Justiz und Verwaltung wurde den Polizeibehörden eine Rechtsprechung in Straf-
sachen nur insoweit übertragen, als eine solche den Gerichten niederer Ordnung zu-
stand. Es hängt also, während die Frage, ob Verwaltungsorganen richterliche
Geschäfte zu übertragen seien, nach staatsrechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden
ist, der Umfang der etwa zugelassenen Jurisdiktion geschichtlich mit der Vertheilung
der Strafsachen an die Gerichte verschiedener Ordnung überhaupt zusammen. In
Rom wurde nur über die schwereren Verbrechen vor den Kriminalgerichten ver-
handelt, während die Verfolgung der übrigen strafbaren Handlungen vor dem Civil-