Standesregister. 775
Die Standesbücher werden von den bürgerlichen Behörden geführt“, — und eine
gleiche Vorschrift in den in den Jahren 1848 und 1849 erlassenen Verfassungs-
gesetzen einzelner Deutscher Staaten (so Preußens, Oldenburgs, Schwarz-
burg-Sondershausens, Waldecks, Mecklenburgs, Reuß-Schleizs
und Anhalt-Bernburgs) wiederholt. Die gedachten Verfassungsurkunden hatten
aber meistens nur eine kurze gesetzliche Dauer, und daher kam es nicht zur Aus-
führung der betreffenden Anordnungen. Blos in wenigen kleineren Staaten wurden
damals Gesetze, welche die bürgerliche Civilstandsregisterführung und die obligatorische
Civilehe einführten, erlassen; von diesen behielten aber allein die beiden Gesetze der
ehemals freien Stadt Frankfurt a. M. eine dauernde Geltung. Ferner wurde
für die Dissidenten mit der Einführung der Civilehe für diese in Anhalt,
Württemberg, Nassau, Sachsen-Weimar, in der Provinz Hanno-
ver, in Bayern, Reuß jüngere Linie, in Sachsen = Koburg-Gotha,
im Königreich Sachsen und in Schwarzburg-Sondershausen während des
Zeitraumes von 1851 bis 1872 eine bürgerliche, bald den Kommunalbehörden, bald
den Gerichten übertragene Civilstandsregisterführung eingerichtet. Dasselbe erfolgte
endlich in den wenigen Staaten, welche, wie z. B. Braunschweig (1849), die Ehe
zwischen Juden und Christen in der Form der Civilehe durch besondere Gesetze er-
möglichten, für solche Ehen und die aus ihnen entspringenden Kinder.
Ohne die im Jahre 1861 eingeführte fakultative Civilehe zu beseitigen, erließ
sodann die Stadt Hamburg im Jahre 1865 ein Gesetz, welches die gesammte
Civilstandsregisterführung in die Hände besonderer bürgerlicher Beamten legte, da-
neben aber die Berufung der Geistlichen zu derartigen Funktionen nicht ausschloß,
und dieselben Einrichtungen bestanden (auch schon zum Theil seit älterer Zeit) in
Bremen und Lübeck.
Wesentlich beeinflußt durch die Konflikte mit der katholischen Kirche wurde
zuerst in Baden, welches durch Gesetz vom Jahre 1860 die Nothcivilehe eingeführt
hatte, durch Gesetz vom 21. Dezember 1869 und demnächst in Preußen durch Gesetz
vom 9. März 1874 die endgültige Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche
vollzogen. Beide Gesetze übertrugen den Gemeindebehörden sowol die ausschließliche
Führung der Civilstandsregister als die Vornahme der Eheschließungen, mit staatlich
bindender Kraft. Das Preußische Gesetz ließ aber die bisherigen, auf gleichem Prinzip
ruhenden Einrichtungen im Bezirk des Appellationsgerichtes zu Köln, wo die Vor-
schriften des Code civil fortdauernd Geltung behalten hatten, und nicht minder die
im Bezirk der Stadt Frankfurt a. M. (s. oben) bestehen.
Schon im Jahre 1872 war im Deutschen Reichstage die Einführung von staat-
lichen Civilstandsregistern und der obligatorischen Civilehe in ganz Deutschland an-
geregt worden, und im Jahre 1873 und 1874 brachten die Abgeordneten Völk
und Hinschius jedesmal einen von dem letzteren verfaßten desfallsigen Ent-
wurf ein, von denen der erste wegen Schluß der Session nicht zur Erledigung kam,
der letztere aber angenommen wurde. Auf Grund desselben legte dann der Bundes-
rath im Jahre 1875 dem Reichstage einen neuen, auch das materielle Eherecht zum
Theil mit umfassenden Entwurf vor, und dieser ist nach ertheilter Zustimmung des
Reichstages zum Reichsgesetz „über die Beurkundung des Personenstands und die
Eheschließung“ vom 6. Februar 1875 erhoben worden.
Dadurch ist die Rechtseinheit im Deutschen Reich für die fragliche Materie her-
beigeführt worden. Die wichtigsten Vorschriften sind folgende:
Die Bildung der Standesamtsbezirke und die Bestellung der Standes-
beamten, bzw. der Stellvertreter erfolgt durch die höhere Verwaltungsbehörde. Als
Regel ist vorausgesetzt, daß jede Gemeinde einen Standesbezirk bildet und der Ge-
meindevorsteher, bzw. dessen Stellvertreter die Funktionen des Standesbeamten voll-
zieht, jedoch kann die Gemeindebehörde die Anstellung besonderer Standesbeamten
beschließen, und auch die höhere Verwaltungsbehörde solche bestellen (§§ 2—7, 10).