Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

780 Steck — Steckbriefe. 
schränkt sich auf ein gesetzliches Leibzuchtsrecht oder auf bloßen Nießbrauch an dem 
Nachlasse oder einer Ouote desselben, häufig besteht sie aber geradezu in einer Erb- 
schaftsquote und hat dann hinsichtlich des Schuldenüberganges dieselben Wirkungen 
wie jedes andere Erbrecht. Dabei ist der Einfluß des Justinianischen Rechtes der 
armen Wittwe insofern bemerkbar, als eine große Zahl von Rechten in Ueberein- 
stimmung mit dieser die Ouote auf ein Viertel oder bei drei und mehr Kindern 
auf einen Kindestheil festsetzen. — Die Unentziehbarkeit der oft fälschlich als S. E. 
angesehenen Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht und der Schutz des Justinianischen 
Rechtes der armen Wittwe gegen letztwillige Verfügungen des Ehemannes hat dahin 
geführt, daß, von dem Oesterreichischen Rechte und der Mehrzahl der Bayrischen 
Partikularrechte abgesehen, die S. E. fast überall ganz oder theilweise den Charakter 
als Pflichttheil angenommen hat; sie kann daher, soweit nicht durch Ehe= oder Erb- 
vertrag darauf verzichtet ist, entweder überhaupt nicht oder doch nur aus bestimmten 
gesetzlichen Gründen entzogen werden. — Erbschaften, welche dem verstorbenen Ehe- 
gatten bereits angefallen, aber wegen eines daran bestehenden Leibzuchtsrechts dritter 
Personen noch nicht in seine Gewalt gekommen waren („hinterfällige Güter"), werden 
nach dem altdeutschen Rechtssprüchwort „Zucht fällt nicht auf Zucht“ von der S. E. 
nicht ergriffen. 
Gsgb. u. Lit.: Preuß. Allgem. LR., z 1 §§ 495 ff., 623 Sit- 639, 642, 644 ff. — 
Leber BGB. §8§ 757 ff., 796. — Badisch. LR. Art. 738, 745. Sächs. B##. §§ 2049 ff., 
2578 ff. — Schmitthenner, Deutsch. gälkrren d. Cheg., 120 ff. — Neubauzr, Das 
in Lelliichlan geltende ehel. Güterrecht, 1879. Schreiber, Die ehel. Güterrechte der 
Schweiz, 1880. — Rotch, System des Deutschen „rat II. §§ 110, 122 ff., 143 ff. — 
Stobbe, Handb. d kl Privatrechts, I. 210. — Roth, Bayer. Eshilrc, J. (2. Aufl.) 
161, 474 ff 477, 515 ff., 530 ff. — Reysch er, Württemb. Privatrecht III., 92 ff. — Grefe, 
Hannovers Recht, II. 57 (d — Roth und Meibom, Kurhessisches Sla fl 441 ff. — 
Heimbach, Lehrb. d. part. Privatrechts d. z. d. Oberappellationsgerichten Jena u. Zerbst ver- 
einten Länder, 524—38. — Erdmann, Güterr. d. Eheg. u. d. Prov.R. Liv-, Esth= u. Kur- 
lands, 185 ff., 215 ff., 243, 250. — He eydemann, Die Elemente der Joachimischen Kon- 
stitution, 319 f. — Kraus in d. Zeitschr. f. Deutsches Recht XIII. 125 ff — Die Lehr— 
bücher d. Deutschen Privatrechts. R. Schröder. 
Steck, Joh. Christ. Wilh. von, 8 6. I. 1730 zu Diedelsheim, 1754 
Professor in Halle, 1758 in Frankfurt a. O., 1767 Geheimer Tribunalsrath in Berlin, 
1776 geadelt, 1 8. X. 1797. 
Seine Schriften bei Pütter, Litt., II. 105. — Schulte, Geschichte, III. b S. 150.— 
Meusel, XIII. 307—311. — Engelmann, Biblioth. jurid. ) Lpzg. 1840, ich 413, 414. 
eichmann. 
Steckbriefe, litterae patentes arrestatoriae, nennt man im StrafPrz. (John, 
Th. I. Suppl. S. 35) offene, an alle Gerichte und Behörden des In= und Aus- 
landes gerichtete Hülfsschreiben, einen flüchtigen, nach der Deutschen StrafP O. auch 
einen sich verborgen haltenden, Beschuldigten im Betretungsfalle verhaften und an 
das ersuchende Gericht oder die sonst genannte Behörde, nach der StrafP O. an ein 
bestimmtes Gefängniß, abliefern zu wollen. Die Bezeichnung der strafbaren Handlung, 
ohne welche namentlich ausländische Behörden von der Verhaftung absehen würden, 
und das sog. Signalement oder die Angabe der Merkmale, an welchen die Person des 
Beschuldigten erkannt werden kann, werden dem S. eingefügt. Als Aufforderungen 
zu verhaften haben S. dieselben Voraussetzungen, wie Haftbefehle. Nach der Deutschen 
Straf PO. sind sie auf Grund eines Haftbefehls vom Richter oder der Staatsanwalt= 
schaft zu erlassen, es sei denn, daß ein vorläufig Festgenommener aus dem Gefängniß 
entsprungen wäre oder sich der Bewachung sonst entzogen hätte, wo auch die Polizei- 
behörde den S. erlassen darf. Außerdem können zur Vollstreckung erkannter Frei- 
heitsstrafen S. von der Staatsanwaltschaft bzw. dem Amtsrichter ohne Weiteres 
erlassen werden. Die Oesterreichische Straf P O. beschränkt die S. auf dringenden 
Verdacht verübter Verbrechen, bei welchem die Rathskammer, der Untersuchungsrichter 
dagegen nur in dringenden Fällen, den S. zu erlassen befugt ist; auch wird zwischen 
der öffentlichen Bekanntmachung des S. durch die Zeitungen, für welche besondere
	        
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