Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

794 Steuerverweigerung. 
parlamentarisches Budget. Die Verwendung der Staatsgelder blieb auch nach dem 
Bürgerkrieg lediglich Sache der Staatsverwaltung. Erst die Mißbräuche dieser Ver- 
waltung führen gegen Ende des 17. Jahrhunderts zu den sog. „Appropriations= 
klauseln“, durch welche das Parlament die Verwendung der von ihm bewilligten 
Gelder zu beschränken und zu kontroliren beginnt. Es entwickelt sich daraus eine 
zusammenhängende Berathung zwischen der Staatsregierung und dem Parlament, 
zuerst über die Staatsausgaben, dann über die Deckungsmittel, welche sich im 18. 
Jahrhundert zu dem Begriff des „Budget“ gestaltet. Auch dies neuere Budgetrecht 
nimmt 1) für die Staatsausgaben seinen Ausgang nur von den neuen Aus- 
gaben. Freilich traten die neuen Ausgaben sofort massenhaft ein, da man die Kosten 
des Heeres und der Marine nach Vertreibung der Stuarts dem erblichen Kron- 
einkommen abnahm und auf die vom Parlament bewilligten Subsidien übertrug. 
Die Staatsbedürfnisse wuchsen dann fortschreitend in dem Maße, daß das Ausgabe- 
bewilligungsrecht in der That die Hauptmasse der Ausgaben umfaßte. Aus Gründen 
des Staatskredits und der Rechtsordnung entschloß sich indessen das Parlament doch 
wieder, bedeutende neue Ausgaben — die Zinsen der Staatsschuld, die Richter- 
gehalte, gewisse Dotationen und Pensionen — auf den Staatsschatz (konsolidirten 
Fond) anzuweisen. Im Laufe des 19. Jahrhunderts beschränkt sich danach die 
Ausgabebewilligung auf etwas mehr als die Hälfte der Staatsausgaben. 
Das Parlament nimmt dabei den Grundsatz an, die Initiative für jede neue 
Ausgabe ausschließlich der Staatsregierung zu überlassen. Länger als ein Jahr- 
hundert erfolgte die Bewilligung auch unter nur wenigen allgemeinen Ru- 
briken, welche der Verwaltung den breitesten Spielraum zu Uebertragungen ließen. 
Erst unter der gegenwärtigen Regierung hat eine Spezialisirung des Ausgabe- 
etats in beinahe 200 votes (Titel) begonnen, welche aber hauptsächlich die außer- 
ordentlichen Ausgaben betrifft, während die laufenden Hauptbedürfnisse der Militär- 
und Civilverwaltung noch immer in wenigen großen Posten zusammengefaßt werden. 
Die Machtstellung des Parlaments war durch so viele andere Kompetenzen ge- 
sichert, daß sie von dieser Seite aus nicht gesucht wurde. In der langen Reihe 
der Budgetverhandlungen ist eine hergebrachte Verwaltungsausgabe oder das Gehalt 
eines permanenten Amts noch niemals versagt worden. — 2) Von der Seite der 
Einnahmen aus bezieht sich das Budgetrecht nur auf die neu bewilligten 
Einnahmen. Auch im Laufe der Englischen Revolutionen ist niemals der Antrag 
erhoben worden, eine „dauernde Einnahme der Krone“ zum Gegenstand einer Jahres- 
bewilligung zu machen. Das wachsende Staatsbedürfniß führte freilich von Jahr- 
zehnt zu Jahrzehnt, nicht selten von Jahr zu Jahr, zu der Nothwendigkeit neuer 
Bewilligungen, und machte damit einen großen Theil der Staatseinnahmen zum 
Gegenstand freier Bewilligung oder Versagung. Aus Gründen der Rechtsordnung und 
der Staatswirthschaft entschloß sich aber das Parlament nunmehr, die dazu geeigneten 
Einnahmen durch dauernde Gesetze zu fixiren, so daß bis zum Schluß des 18. Jahr- 
hunderts alle älteren Steuern in den Gang der Gesetzgebung gebracht, ihre 
Erträge auf den Staatsschatz angewiesen und damit von der Parlamentsbewilligung 
unabhängig gestellt sind. Erst durch Neubewilligung entstand in immer verjüngter 
Gestalt wieder ein beweglicher Theil des Staatseinkommens, welchen das Par- 
lament frei bewilligt oder versagt. Er beschränkt sich jetzt auf die (ergänzende) 
Einkommensteuer und auf einige Artikel des Zolltarifs, in manchen Jahren nur auf 
einen einzigen Artikel des letzteren, im Ganzen etwa ½ oder ½⅛ der Staatseinnahmen. 
Wenn bei dieser neueren Behandlung der Staatsausgaben und Einnahmen von 
dem Recht einer „allgemeinen S.“ gesprochen wurde, so beruht dies auf einer 
Verwechselung der mittelalterlichen Bewilligung außerordentlicher Subsidien mit 
dem davon verschiedenen Verhältniß einer Verständigung über die Staats- 
ausgaben, die ein völlig neues Verhältniß darstellt. Die Erfüllung der ver- 
fassungs= und gesetzmäßigen Pflichten des Staates, die Aufrechterhaltung und Fort-
	        
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