Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

80 Polizeistrafverfahren. 
keiten machen, daß ein gesetzlicher Maßstab fehlt, nach welchem Haft auf andere 
Freiheitsstrafen angerechnet werden könnte, also dem richterlichen Gutdünken über- 
lassen werden müßte, das Verhältniß zwischen beiden von Fall zu Fall zu ermitteln. 
Da Reichsrecht durch Landesgesetze nicht abgeändert werden kann, wird man, soweit 
solches in Betracht kommt, die angeführten Gesetze für unverbindlich halten müssen 
und bei dem endlichen Urtheile keine Rücksicht auf die in Folge der Polizeiverfügung 
verbüßte Strafe nehmen können. So auch Meves (S. 414, Anm. 14), welcher 
meint, nöthigenfalls habe der Civilrichter darüber zu entscheiden, wer den Verur- 
theilten wegen der erlittenen Haft entschädige. — Wenn eine Polizeibehörde ihre 
Zuständigkeit überschreitet, so ist ihre Verfügung nichtig und muß von der vorgesetzten 
Behörde aufgehoben werden, an welche sich der Beschuldigte auch dann noch wenden 
kann, wenn die Frist zur Stellung eines Antrages auf gerichtliche Entscheidung be- 
reits abgelaufen ist. Alsdann kann jedoch das Gericht mit der Sache nicht mehr 
befaßt werden, auch nicht, wie Keller, S. 490 Nr. 9, will, durch Einwendung 
gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung. § 490 der StrafPO. ist unanwend- 
bar, * er sich nur auf gerichtliche Entscheidungen bezieht (vgl. Löwe, S. 833 
Nr. 2e). 
VI. Schließlich enthalten die meisten Landesgesetze Bestimmungen über die 
Verwendung der eingegangenen Geldstrafen und die Vorschrift, daß bezüglich Art 
und Anzahl der ergangenen Strafverfügungen Tabellen nach bestimmten Formularen 
anzulegen und den vorgesetzten Behörden von Zeit zu Zeit einzureichen sind. 
Wenn nun eine Strafverfügung micht vollstreckkar geworden, sondern ein An- 
trag auf gerichtliche Entscheidung gestcht ist, so sind nur noch die reichsgesetzlichen 
Vorschriften maßgebend. Gemäß derselben kann ein solcher Antrag angebracht werden: 
1) bei der Polizeibehörde, welche die Verfügung erlassen hat, 2) bei dem zuständigen 
Amtsgerichte, und zwar schriftlich oder mündlich. In letzterem Falle muß die An- 
bringung entweder durch ein Protokoll des Gerichtsschreibers (§ 454, Abs. 1) oder von 
der Polizeibehörde in der landesgesetzlich vorgeschriebenen Form bekundet werden, vgl. 
z. B. Preußen sa) § 5), Württemberg lb) § 15|], Braunschweig (§ 13). 
Nach den Bestimmungen in: Preußen lb) § 51, Sachsen lb) § 81, Alten- 
burg (6 6), Weimar (§ 11), Oldenburg sa) § 41, Schwarzburg-Rudol- 
stadt (6 7), Reuß (§ 4) haben sich die Behörden von der Stellung des Antrages 
gegenseitig zu benachrichtigen. Der Amtsanwalt braucht einen solchen nicht anzunehmen, 
muß den angenommenen aber sofort an die Polizeibehörde oder das zuständige Ge- 
richt gelangen lassen. — Daß auch der gesetzliche Vertreter des Beschuldigten und 
der Ehemann zu selbständiger Antragstellung befugt seien, ist zwar im Gesetze nicht 
ausdrücklich gesagt, entspricht aber der prozessualischen Behandlung dieser Personen 
durchaus. Der analogen Anwendung des § 340 steht nichts im Wege, wenn auch 
aus demselben direkte Folgerungen nicht gezogen werden können, da der fragliche 
Antrag kein Rechtsmittel im Sinne der StrafP# O. ist. Nach § 4 des Gesetzes für 
Meiningen kann auch der Amtsanwalt auf gerichtliche Entscheidung antragen. — 
Die Zuständigkeit des Gerichtes bezüglich der Antragstellung ist nach den allgemeinen 
Grundsätzen zu beurtheilen. Eine Beschränkung auf das Gericht am Sitz der Polizei- 
behörde, die Meves (S. 417) annimmt, ist durch keine gesetzliche Vorschrift geboten. 
Sie wäre schon um deswillen unangemessen, weil es die Anbringung des Antrags 
erschwerte, wenn der Beschuldigte sich nicht in jedem Falle an das Amtsgericht seines 
Wohnorts wenden dürfte. Die Verhandlung selbst kann darum doch vor dem Gericht 
stattfinden, in dessen Bezirk die Polizeibehörde ihren Sitz hat, da dieselbe die Akten 
zwar an die zuständige Staatsanwaltschaft abgeben muß, natürlich aber unter 
mehreren zuständigen die Wahl hat. Die Aktenübersendung, für welche Hamburg 
(6 7, Abs. 2) eine vierwöchentliche Frist läßt, muß geschehen, ohne daß die 
Polizeibehörde, falls der Antrag bei ihr gestellt wird, befugt wäre, die Rechtzeitig- 
keit desselboen oder die Berechtigung des Antragstellers zu prüfen. So Thilo,
	        
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