Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

82 Polizeistrafverfahren. 
Findet das Gericht, daß bezüglich der fraglichen That die Polizeibehörde zum Erlaß 
einer Strafverfügung nicht befugt war, wobei die Landesgesetze zu berücksichtigen sind, 
so wird die Verfügung aufgehoben (§ 458). In der Sache selbst darf dann auf 
keinen Fall erkannt werden, auch dann nicht, wenn die That des Angeklagten zur 
Zuständigkeit der Schöffengerichte gehörte. Das betreffende Urtheil kann durch Be- 
rufung angefochten werden, es präjudizirt die Staatsanwaltschaft bezüglich der Er- 
hebung der öffentlichen Klage in keiner Weise. 
In Oesterreich besteht sowol ein eigentliches P. wie ein sog. richterliches 
Mandatsverfahren (vgl. §§ 460—462 der StrafP. O.). Das erstere ist von den 
Gerichten unabhängig, es kennt als Rechtsmittel nur den Rekurs an die vorgesetzte 
Behörde. Die Regelung der Zuständigkeit wie des Verfahrens ist nicht einheitlich 
geschehen, weder für den ganzen Staat noch für einzelne Länder, es bezieht sich 
jedoch nur auf die nicht in dem allgemeinen Strafgesetze enthaltenen Gesetzesüber- 
tretungen (vgl. Lienbacher, S. 267 ff.). Das Mandatsverfahren ist eine besondere 
Art des Verfahrens in Uebertretungsfällen (88 447 ff.). Letzteres findet vor den 
Bezirksgerichten statt und weicht in mancher Beziehung von dem gewöhnlichen ab, 
so kennt es z. B. keine Voruntersuchung, keine Verhandlung über die Versetzung in 
Anklagestand (§ 451), in der Regel keine Vereidigung der Zeugen (§ 453), indem 
an Stelle des Eides der Handschlag tritt, und läßt ausnahmsweise ein Kontumazial- 
verfahren zu (§ 459). Das Mandatsverfahren besteht in einer Strafverfügung, 
deren Inhalt ungefähr der polizeilichen der Deutschen StrafP O. entspricht, und 
gegen welche innerhalb von acht Tagen Einspruch erhoben werden kann, der den 
Eintritt des ordentlichen Verfahrens herbeiführt (§ 462). Sie erfolgt auf Antrag 
des mit den staatsanwaltlichen Verrichtungen betrauten Beamten, wenn von einer 
öffentlichen Behörde gegen einen auf freiem Fuß befindlichen Beschuldigten auf Grund 
ihrer eigenen dienstlichen Wahrnehmung eine Gesetzesübertretung angezeigt wird, 
welche im Gesetz mit Arrest von höchstens einem Monate oder nur mit einer Geld- 
strafe bedroht ist. Es kann durch dieselbe nur Arrest von höchstens drei Tagen 
oder eine Geldstrafe von 15 Gulden verhängt werden. 
Esgb.: StrafPO. für das Deutsche Reich §§ 453—458. Vgl. Hahn, Materialien, III. 
S. 49 (Entwurf §9 381—385), 288 (Motive), 1123 ff., 1429 ff., 1647 ff. (Verhandlungen der 
Reichsjustizkommission). — Preußen mit Ausnahme des Oberlandesgerichts-Bezirkes Köln: 
a) Gele über die vorläufige Straffestsetzung wegen Uebertretungen v. 14. RNai 1852 (Ges. Samml. 
S. 245); b) Reglement z. Ausführung dieses Pesetzes (Min. Bl. S. 259); c) Allgem. Verfügung 
vom 15. Sept. 1879 betr. die Bekanntmachung der Ministerien der Justiz und des Innern 
über das Verfahren bei der vorläufigen Straffestsetzung wegen Uebertretungen (Just. Min.Bl. 
S. 361); d) Gesetz vom 26. März 1856 über die Nutzungen und Lasten aus der vorläufigen 
Straffestsetzung wegen Uebertretungen (Ges. Samml. S. 225). — Sachsen: a) Gesetz das Ver- 
fahren in Verwaltungsstrafsachen betr. vom 8. März 1879 (Ges.= u. Verordn. Bl. vom Jahre 
1879 S. 87); b) Verordnung zur Ausführung dieses Gesetzes vom 15. Sept. 1879 (Ges.= u. 
Verordn. Bl. S. 351). — Württemberg: a) Gesetz v. 12. Aug. 1879 betr. Aenderungen des 
Landespolizeistrafgesetzes vom 27. Dez. 1871 2c. A. 9 ff. (Reg. Bl. S. 153 ff.); b) Verfügung der 
Ministerien der auswärtigen Angelegenheiten und des Innern betr. die Vollziehung des Gesetzes 
vom 12. Aug. 1879 (Reg. Bl. S. 383 ff.). — Baden: a) Gesetz vom 3. März 1879 die Ein- 
führung der Reichsjustizgesetze betr. 98 124 ff. (Ges.= u. Verordn. Bl. S. 116 ff.); b) Verordnung 
vom 11. Sept. 1879 das Polizei= und Finanzstrafverfahren 2c. betr. (Ges. Bl. S. 613 ff.); 
JD) Verordnung des Handelsministeriums v. 29. Sept. 1879 (Ges. Bl. Nr. 49); d) Verordnung des 
Ministeriums der Finanzen vom 25. Okt. 1879 (Ges. Bl. Nr. 53 §§ 62 ff.). — Mecklen- 
burg-Schwerin (Mecklenburg-Strelitz übereinstimmend): a) Verordnung zur Ausführung der 
StrafPO. v. 28. Mai 1879 §§ 8—36 (Reg. Bl. S. 333 ff.); b) Verordnung betr. die Instruktion 
der Amtsanwälte in Betreff der einer polizeilichen Strafverfügung unterliegenden Ueber- 
tretungen vom 28. Mai 1879 (Reg. Bl. 377 ff.). — Sachsen-Weimar: a) Gesetz über die 
polizeiliche Straffestsetzung vom 12. April 1879 (Reg. Bl. 1879 S. 153 ff.); b) Ministerial- 
bekanntmachung das polizeiliche Straffestsetzungsverfahren betr. vom 5. Juli 1879 (Reg. Bl. 
S. 383); c) Ministerialbekanntmachung die ung oersassren ve betr. v. 9. Juli 1879 (Reg. Bl. 
S. 397). — Oldenburg: Gesetz betr. die Befugniß der Polizeibehörden zum Erlaß von 
Strafverfügungen 2c. vom 25. März 1879 (Ges. Bl. Bd. XXV. Stück 14). — Braun- 
schweig: Gesetz die Ausführung der Deutschen Prozeßordnungen betr. vom 1. April 1879 
§§ 12—15. — Sachsen-Meiningen: A. zur Deutschen StrafPO. vom 17. Juni
	        
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