Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

86 Polizeiverordnungen. 
zeigten sich doch so große Schwierigkeiten einer angemessenen Besetzung und Geschäfts- 
führung, daß man schon aus diesem Grunde die Justizbürgermeister in den Städten, 
die rechtskundigen Justitiarien in den ländlichen Gerichten auf die eigentlichen Justiz- 
sachen beschränkte in dem Umfang der Kompetenz der alten Schöffengerichte. In 
dem ersten Stadium der „Trennung der Justiz von der Verwaltung“ blieben des- 
halb die Polizeistraffälle gewöhnlich bei der laufenden Polizeiverwaltung zurück. 
Erst allmählich begann man auch die Polizeistraffälle von der Verwaltung zu 
trennen und den ordentlichen Gerichten in vereinfachtem Verfahren zu überweisen. 
Im 19. Jahrh. ist dies die Regel geworden, in Preußen vollständig durchgeführt 
und nun auch in die Reichsjustizverfassung übergegangen. Für das ganze Gebiet des 
Polizeistrafrechts bieten nunmehr die ordentlichen Gerichte die genügende Rechts- 
kontrole dar, ohne daß es dafür einer besonderen Verwaltungsgerichtsbarkeit bedurfte. 
Inzwischen hal sich durch die neuere Organisation der Staats= und 
G emeindeverwaltung eine förmliche Stufenleiter des Polizeiverordnungsrechtes 
gebildet. . 
1) Von Oben nach Unten umfaßt das landesherrliche Verordnungsrecht 
die das ganze Landesgebiet umfassenden Polizeinormen. Die regelmäßig wieder- 
kehrenden, durch längere Praxis festgestellten Normen sind jedoch zu Polizei gesetzen 
konsolidirt, die Hauptmasse derselben, soweit wie möglich, zu „Polizeistrafgesetzbüchern“ 
kodifizirt. Daneben besteht nur ein ergänzendes Gebiet von „P.“ fort, soweit nicht 
die Landesverfassung alle Strafandrohungen auf den Weg der Gesetzgebung verweist. 
Aber auch im letzteren Falle bleibt noch ein erheblicher Raum sowol für Aus- 
führungsverordnungen, wie für solche P., deren Erlaß in den Polizeistrafgesetzen 
ausdrücklich vorbehalten ist. Dies landesherrliche Verordnungsrecht kann auch 
den Centralbehörden und Oberbehörden überlassen werden und bildet dann klraft 
einer potestas delegata neue Polizeistrafnormen, für welche die Landesgesetze ge- 
wöhnlich ein Maximum der Strafandrohungen festsetzen. 
2) Von Unten herauf haben die Stadtmagistrate, Gutsobrigkeiten 
und andere Lokalbehörden ihr aus alter Verleihung der Gerichtslehne her- 
rührendes Verordnungsrecht beibehalten, welches nunmehr der staatlichen Oberaussicht 
unterliegt und von den oberen Staatsverwaltungsstellen aus tam confirmandi quam 
supplendi et corrigendi causa kontrolirt wird. Das Verordnungsrecht beruht hier 
nicht auf einer potestas delegata, sondern Subor dinata. 
Bei dieser Entwickelung von Oben herab und von Unten herauf ist häufig ein 
Zustand hervorgegangen, bei dem den mittleren Provinzial= und Kreis- 
behörden das Polizeiverordnungsrecht fehlt oder nur in sehr beschränktem Maße 
zusteht. In neueren systematischen Organisationsgesetzen wird diese Lücke oft ergänzt 
und allen Behörden ein stufenweises Verordnungsrecht innerhalb ihres Zuständigkeits- 
bereichs beigelegt. 
Es ist daraus ein sehr mannigfaltig gegliedertes Polizeiverordnungsrecht hervor- 
gegangen, vermöge dessen neben dem Grundstock des gesetzlich fixirten 
Polizeistrafrechts noch sehr zahlreiche Bezirks-, Kreis= und Orts-P. bestehen, 
welche namentlich in Preußen eigene Sammlungen für jeden Regierungsbezirk bilden, 
in Gestalt von Orts-P. aber sich so gehäuft haben, daß eine Sammlung und Ueber- 
sicht derselben zur Unmöglichkeit wird. Diese Mannigfaltigkeit beruht auf wirklich 
vorhandenen besonderen Bedürfnissen, zum nicht geringen Theil aber auch auf der 
alten Neigung zu statutarischen Besonderheiten. Im letzten Menschenalter tritt mit 
Recht die Tendenz hervor, das Polizeirecht in möglichst weitem Maße zu kodifiziren, 
oder doch gesetzlich zu fixiren, das danebenstehende Verordnungsrecht auf untergeordnete 
Gebiete und geringe Strafmaße zu beschränken und gewisse Formen der Beschließung 
und Publikation dafür festzusetzen. 
Für die Gerichte entstehen aus diesem Geschäftskreis mancherlei Zweifel und 
Streitfragen. Es entsteht der Schein, als ob hier eine gesetzgebende Gewalt durch
	        
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