Urheberrecht. 959
einen Bestandtheil der Literatur eines Volkes zu bilden geeignet ist“ (v. Wächter),
ohne Rücksicht darauf, ob dasselbe bereits veröffenlicht, resp. schriftlich fixirt ist,
oder nicht, also auch Manuskripte, sowie Vorträge, welche zum Zweck der Erbauung,
Belehrung, Unterhaltung gehalten sind (RGes. v. 11. Juni 1870, § 5). Dagegen
erkennt das Recht ein gegen Nachdruck geschütztes Autorrecht nicht an bei Werken,
welche lediglich das öffentliche Leben wiedergeben, wie Zeitungsartikeln, ferner beie
solchen, deren Autor durchaus als Organ des Staates erscheint, als Gesetzen und
sonstigen amtlichen Erlassen, und endlich bei solchen, welche unmittelbar einem
rein praktischen Zweck dienen, wie den bei gerichtlichen Verhandlungen, sowie in
politischen und ähnlichen Versammlungen gehaltenen Reden (cit. Gesetz § 7). Unter
künstlerischen oder artistischen Erzeugnissen sind solche Werke zu verstehen, bei denen
sich eine selbständige formgebende Thätigkeit des Urhebers offenbart, und „welche in
den artistischen Verkehr einzutreten geeignet erscheinen“ (v. Wächter). Es gehören
dahin also Werke der Plastik, Gemälde, Zeichnungen, Kupferstiche, Holzschnitte,
Lithographien 2c. Auch den Photographien gewährt die Reichsgesetzgebung einen
Schutz gegen Nachbildung, wennschon dieselben in Wahrheit wol nicht als artistische
Erzeugnisse gelten können. Weiter wird ein U. angenommen bei musfikalischen
Kompositionen, sowie bei geographischen, topographischen, naturwissenschaftlichen,
architektonischen, technischen und ähnlichen Abbildungen, welche, wenn überhaupt
eine strenge Grenze zwischen literarischen und artistischen Erzeugnissen gezogen wird,
mit größerem Recht zu den ersteren gerechnet werden, wie dies auch seitens der
Reichsgesetzgebung geschehen ist. Endlich wird noch ein mit gesetzlichem Schutz aus-
gestattetes U. bei gewerblichen Mustern und Modellen durch das heutige Reichsrecht
anerkannt, freilich nur unter der Voraussetzung, daß der Urheber dieselben zur Ein-
tragung in das Musterregister angemeldet und ein Exemplar oder eine Abbildung
des Musters u. s. w. bei der mit Führung des Musterregisters beauftragten Behörde
niedergelegt hat (Reichsgesetz v. 11. Januar 1876 8 7).
Die praktische Seite des U. besteht darin, daß jede mechanische Vervielfältigung
des Geistesproduktes ohne den Willen des Autors (bei literarischen Werken „Nach-
druck“ genannt) verboten ist. Als mechanische Vervielfältigung wird bei Schrift-
werken durch das RGes. v. 11. Juni 1870 (68 4) auch ausdrücklich das Abschreiben
bezeichnet, wenn dasselbe dazu bestimmt ist, den Druck zu vertreten. Bei Werken
der bildenden Künste verbietet die Gesetzgebung die Nachbildung, auch wenn dabei
ein anderes Verfahren angewendet wird, als bei Hervorbringung des Originalwerks
(RGes. v. 9. Januar 1876 § 5), also z. B. bei Gemälden Nachbildung durch
Kupferstich, Holzschnitt, Lithographie, Photographie; nicht aber die Nachbildung
eines plastischen Kunstwerks durch Malerei oder Zeichnung und umgekehrt (§ 6
Nr. 2 — rein positiv und nicht glücklich ist die Bestimmung der Nr. 3 —) ebenso-
wenig die einer Photographie durch Malerei, Zeichnung oder Plastik. Dramatische,
musikalische, dramatisch-musikalische Werke dürfen ohne Genehmigung des Autors auch
nicht öffentlich aufgeführt werden. Nur ist es hierzu nach dem Gesetz v. 11. Juni
1870 (850) bei rein musikalischen (im Gegensatz zu dramatisch-musikalischen) Werken,
welche bereits durch den Druck veröffentlicht sind, erforderlich, daß der Autor bei
der Veröffentlichung das Recht der öffentlichen Aufführung sich vorbehalten hat.
Bei Schriftwerken werden nach dem Gesetz v. 11. Juni 1870 (6 6) auch Ueber-
setzungen, jedoch nur in bestimmten, vom Gesetz hervorgehobenen Fällen, als Nach-
druck angesehen. Dagegen gilt nicht als solcher das wörtliche Anführen einzelner
Stellen eines bereits veröffentlichten Werks, sowie die Aufnahme kleinerer Schriften
in Sammelwerke, resp. andere größere selbständige wissenschaftliche Werke (6 7).
Ebenso verhält es sich mit der Aufnahme von Nachbildungen einzelner Werke der
bildenden Künste odez einzelner Muster und Modelle in ein Schriftwerk, voraus-
gesetzt, daß das letztere als die Hauptsache erscheint (RGes. v. 9. Januar 1876
§ 6 Nr. 4, v. 11. Januar 1876 § 6). Bei literarischen und artistischen Werken