Urkunden. 965
in diesem Falle die Abschriften den Urschriften gleich. — Eine besondere Eintheilung
der U. endlich kennt das Strafrecht. Es unterscheidet bei öffentlichen U. solche, die
eine rechtlich erhebliche Thatsache beurkunden und solche, deren Gegenstand eine solche
Thatsache nicht ist, und bei Privat-U., ob sie zum Beweise von Rechten und Rechts-
verhältnissen von Erheblichkeit sind oder nicht. Man hat zwar diese Theilung durch
die Behauptung zu beseitigen gesucht, daß das Strafrecht überhaupt nur solche U.
kenne und zum Objekt seines Schutzes mache, durch welche rechtlich erhebliche That-
sachen beurkundet würden. Allein der Angriff ist verfehlt. Wenn es auch richtig
ist, daß bei dem Begriff der U.fälschung der Gedanke der Fälschung eines Beweis-
mittels maßgebend ist, hat doch einestheils der § 267 des RStraf GB. demselben in
Ansehung der öffentlichen U. keinen Ausdruck gegeben, und ist die U. an sich nicht
blos ein Beweismittel für rechtlich erhebliche Thatsachen: anderntheils aber kenn-
zeichnet das Gesetz auch anderweitige Angriffe gegen U. als strafbar. So bedrohen
die §§ 133 und 348 Abs. 2 die Vernichtung oder Beiseiteschaffung von U., welche
sich in amtlicher Verwahrung befinden, und ergiebt der Gegensatz zu § 348 Abf. 1,
daß der Begriff der U. nicht auf solche beschränkt ist, welche eine rechtlich erhebliche
Thatsache beurkunden (ebenso: Urth. des Reichsgerichts vom 23. Januar 1880 —
Rechtsspr. Bd. I. S. 263). Es erklärt ferner der § 363 die Fälschung von Privat-
U. für strafbar, welche in Führungs= und Fähigkeitszeugnissen bestehen, also zum
Erweise von Rechten oder Rechtsverhältnissen nicht dienen. Es ist endlich der
§ 299 hervorzuheben, in welchem gleichfalls U. geschützt werden, auch wenn sie
weder rechtlich erhebliche Thatsachen beurkunden, noch zum Erweise von Rechten von
Erheblichkeit sind.
III. Form und Beweiskraft. Ob überhaupt und welcher Beweis durch
die U. geführt werden kann, hängt von ihrer Form ab, die sich nach zwei Seiten
hin geltend macht, nach einer speziellen und nach einer generellen. Sie muß einer-
seits den für die einzelnen Arten der U. besonders gegebenen und andererseits den
für alle Arten gemeinschaftlichen Vorschriften genügen. Es sind nämlich sowol im
Reichs-, wie im Landesrecht einestheils für die einzelnen Arten der öffentlichen U.
besondere Formvorschriften gegeben, anderntheils für einzelne Arten von Rechts-
geschäften wiederum bestimmte Arten dieser U. vorgeschrieben. So sind z. B. nach
§ 15 des Civilstandsgesetzes vom 6. Februar 1875 die Auszüge aus dem GCivil-
standsregister, ferner in Preußen nach der Notariatsordnung vom 11. Juli 1845
und dem Zusatzgesetz vom 8. März 1880 die verschiedenen Akte des Notars,
ebenso nach § 288 der CPO. die Ausfertigungen der Urtheile und nach § 30 der
Preuß. Schiedsmannsordnung vom 29. März 1879 die vom Schiedsmann zu er-
theilenden Ausfertigungen an eine bestimmt vorgeschriebene Form gebunden. Und
weiter gilt für Preußen die Vorschrift, daß der gerichtlichen Verlautbarung bedürfen
die Verträge über Verjährung, über Lehen und Lehnsstämme, über die Errichtung eines
Familienfideikommisses und die von ausländischen Gerichten oder Notaren über inländische
Grundstücke ausgenommenen Verträge; daß die gerichtliche Form erforderlich ist bei
Verträgen der Blinden und Taubstummen, beim Anatozismus über zweijährige und
ältere Rückstände, beim Schenkungsversprechen, bei Verträgen behufs Ausschließung
der Gütergemeinschaft, bei der Emanzipation eines minderjährigen Hauskindes, bei
der Auflassung von Grundstücken; daß die notarielle oder gerichtliche Form noth-
wendig ist bei Verträgen von Analphabeten, bei Pachtverträgen über Landgüter, wenn
der jährliche Pachtzins 600 Mark oder mehr beträgt, bei Sponsalien, beim An-
erkenntniß einer ungültigen Schuld seitens des Haussohnes nach aufgehobener väter-
licher Gewalt. Ebenso ordnet das HGB. in den Art. 174 und 208 an, daß
über die Errichtung und den Inhalt des Gesellschaftsvertrages einer Kommandit-
gesellschaft auf Aktien und einer Aktiengesellschaft eine gerichtliche oder notarielle
U. ausgenommen werden muß. Die Beobachtung aller dieser Förmlichkeiten be-
gründet für die U. die Vermuthung ihrer Echtheit, die jedoch nicht ausschließt, daß