Schwarze. 1093
ist. Die Revision des Strafgesetzbuches — nicht ein neues Strafgesetz-
buch, sondern nur der Erlaß einiger Novellen, die dann in das Straf-
gesetzbuch eingearbeitet worden sind, — nur das war längst vor-
bereitet, ehe hier der Wagener'sche Antrag gestellt worden ist. Es ist daher
die Sächsische Regierung keineswegs Angesichts des vom Reichstage gefaßten
Beschlusses und der vom Bundesrathe darauf erfolgten Erklärung mit der
Gesetzgebung vorgegangen; es war das eine längst vorbereitete Sache. Was
dabei insbesondere noch von dem Abgeordneten Braun bemerkt worden ist:
daß Seitens des Sächsischen Ministeriums ein Genossenschaftögesetz erlassen
worden sei, welches gewissermaßen geradezu im Widerspruch mit dem vom
Bunde erlassenen Gesetze stehe, werde ich uir späterhin erlauben, wo die
Gelegenheit dazu sich bieten wird, nämlich bei dem Gesetze über die Wechsel-
ordnung und dem Handelsgesetzbuch, darauf zurückzukommen, in diesem
Augenblicke will ich nur einfach konstatiren, daß das Sachsische Gesetz jahre-
lang früher vorbereitet war, ehe hier von einem Bundesgesetz gesprochen
worden ist, und daß dieses Partikulargesetz keine Bestimmungen enthält, die gegen
die Bundcsgesetze gehen, daß vielmehr die Bestimmungen des Gesetzes neben
dem Bundesgesetze bestehen können. Nur den einen Umstand kann ich jetzt
konstatiren, da es ganz wesentlich zu meiner Deduktion gehört, daß durch die
Bestimmungen der Bundesakte über die Kompetenz der Bundesgesetzgebung
in die Partikulargesetzgebung eine gewisse Unruhe gekommen ist. Sie werden
nicht einer Partikulargesetzgebung zumuthen können, daß sie mit Gesetzes-
arbeiten und Vorbereitungen sich beschäftige, wenn die betreffende Materie
eine solche ist, auf welche sich die Kompetenz des Bundes mit erstreckt, wo
mithin die Partikulargesetzgebung keinen Augenblick sicher ist, daß nicht ein
Antrag vom Reichstag gestellt und vom Bundesrathe genehmigt wird, durch
welches dieses Gesetzprojekt zur Wahrheit wird, indem ja dadurch alle Mühe
und Arbeit, welche die Partikulargesetzgebung aufgewandt hat, völlig nutzlos
ist. Diese Unruhe und Unsicherheit in der Partikulargesetzgebung ist aller-
dings ein sehr wichtiges und maßgebendes Moment. Dessenohngeachtet
würde ich auf dieselbe kein entscheidendes Gewicht legen, wenn irgendwic ein
Bedürfniß für den Antrag nachgewiesen worden wäre. Erlauben Sie mir
nun aber, vom rein juristischen Standpunkte aus den Antrag zu beleuchten.
Es giebt gewiß keinen Juristen, es giebt gewiß Niemanden, der es mit dem
öffentlichen Wohl gut meint, der nicht seine volle Sympathie Anträgen ent-
gegenbringt wie dem vorliegenden; die Gemeinsamkeit der Gesetzgebung, das
ist ein Gegenstand, für den ein Jeder, welcher es mit der Rechtspflege und
der Rechtsgesetzzgebung gut meint, ein offenes Herz und einen offenen Sinn
bewahren wird. Aber auf der anderen Seite ist gewiß auch soviel sicher,
daß die Gemeinsamkeit der Gesetzgebung nur da heilsam wirken kann, wo
für das betreffende Gesetz ein gemeinsames Bedürfniß besteht; aber,
meine Herren, wir dürfen nicht deöhalb, weil wir ein gemeinsames Gesetz
machen, auch glauben, daß wir dadurch ein gemeinsames Recht, das in dem
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