1198 1868. Art. 20.
gebührenden Rücksicht sein, wenn man den hohen Interessen, die in dem
Reichstage kulminiren, nicht alle anderen Interessen wenigstens zeitweise
unterzuordnen wüßte, wenn man regierungsseitig dem Reichstage Kräfle ent-
ziehen würde, die cr durchaus bedarf, wenn man, während die Blicke aller
Deutschen Länder auf den Reichstag und die ihm obliegenden superioren
Aufgaben gerichtet sind, gewissermaßen gewaltsam die Blicke dieser Länder
auf inferiore Aufgaben, auf die lokalen und kommunalen Interessen richten
und dadurch das Interesse für die Aufgaben des Reichstages zu Gunsten
lokaler Interessen abschwüchen würde. Ich würde eine wirksame Beseitigung
der Wiederkehr derartiger unerwünschter Zustände am besten darin erkennen,
wenn es gelänge für den Zusammentritt des Reichstages verfassungsmäßig
ebenso einen bestimmten Zeitpunkt festzustellen, wie solches rücksichtlich des
Preußischen Abgeordnetenhauses und Herreuhauses bereits der Fall ist. Ein
gewisser Spielraum in dieser Hinsicht würde immer gelassen werden können;
es müßte aber doch wenigstens der Monat bestimmt werden, in welchem der
Reichstag für seine gewöhnlichen regelmäßigen Sitzungen sich zu versammeln
hat. Wenn dies geschähe, so würden die Regierungen der einzelnen Staaten
wie ich vertraue gewiß sich hiernach richten und es unterlassen zu solchen
Zeiten ihre territorialen Landtage zu berufen. Es liegt ja aber auch auf der
Hand, meine Herren, daß dies lediglich im Interesse der Regierungen dieser
Staaten sein würde, da die Mehrzahl der Minister dieser Staaten gleichzeitig
dem Bundesrathe angehören, da sie alsdann selbst in den Kouflikt der Pflich-
ten gerathen würden, wenn sie gleichzeitig mit dem Reichstage ihre heimischen
Landtage versammelt sähen, und da man doch annehmen kann, daß es den
Herren unerwünscht sein müßte sich hierbei in irgend welcher Weise ver-
treten zu lassen. Fände der Vorschlag oder rielmehr die Andeutung, die ich
mir zu machen erlaubt habe, Auklang, so würde dies freilich die weitere
Folge haben, daß die schon so vielfach angeregte, vielfach für nothwendig
und wünschenswerth gehaltene Verlegung des Anfangs des Prrußischen Etats-
jahres stattfände. Es mag das seine Schwierigkeiten haben; unüberwindlich
sind diese Schwierigkeiten aber gewiß nicht. Will man den Parlamentaris-
mus, so mache man ihn leicht, man mache ihn möglich all denjenigen
Peisonen, welche durch die Lebens= und Vertrauensstellung, die sie einzu-
nehmen berufen sind, im parlamentarischen Leben zu wirken! Man berufe
also die Parlamente nicht zu einer Zeit, wo es der Mehrzahl ihrer Mit-
glieder unmöglich oder doch nur unter Darbringung großer pecuniärer Opfer
möglich ist den übernommenen Verpflichtungen nachzukommen, man verein-
fache die parlamentarische Maschine, man vermindere die Zahl der Parlamente
und wo sie collidiren, da unterordne man das territoriale und kommnnale
dem nationalen! Das, meine Herren, liegt mit in dem uns beschäftigenden
Antrage, das ist die nationale Bedeutung des Antrages, und aus beiden
hervorgehobenen Rücksichten erlaube ich mir Ihnen den Antrag zur Annahme
zu empfehlen.